Die Uniklinik Tübingen bietet auf dem Online-Portal „Erste Hilfe Internetsucht“ umfangreiche Informationen. Dort findet man eine Liste von Fragen, die sich exzessive Computerspieler stellen sollten:

 

Gibt es Bereiche, die von dem, was ich online mache, beeinträchtigt werden?

Machen mir andere Dinge überhaupt noch Spaß?

Wäre mein Leben ohne Internetzugang vollkommen leer?

Habe ich noch Zeit fürFreunde, Familie, Partner?

Und das klappt – paradoxerweise – zunächst mit der vollen Dröhnung. „Wenn unsere Bewohner hier ankommen, dürfen sie die ersten zwei Wochen von 14.30 bis 22.30 Uhr ihre Handys benutzen“, sagt Portmann. In dieser Zeit schauen sich die Betreuer ihre Neuzugänge genau an: Welche Spiele spielen sie am liebsten? Mit welchen Helden identifizieren sie sich? Gucken Sie stundenlang Youtube-Videos oder suchen sie auch mal den Kontakt zu anderen Leuten?

Nur noch eine Stunde Mediennutzung pro Tag

Dann kommt der radikale Schnitt: nur noch eine Stunde Mediennutzung pro Tag. Statt nächtelang zu zocken, sollen die Jugendlichen ein Gegengewicht zur virtuellen Welt finden: Ausflüge ins Kino. Krafttraining im Keller. Basteln in der Fahrrad-Werkstatt. Zwischendurch gemeinsam kochen. Ein ganz normaler Alltag also, den die Bewohner des „Auxilium Reloaded“ schlichtweg verlernt haben. „Wir sind immer wieder überrascht, wie jemand in der Schule so lange fehlen kann, ohne dass etwas passiert“, sagt Einrichtungsleiter Portmann. Die Betroffenen seien erfinderisch, um die Situation zu verschleiern. Da werden Elternbriefe abgefangen, ausgefallene Schulstunden vorgetäuscht oder kranke Lehrer vorgeschoben. „Die Eltern vertrauen ihren Kindern“, sagt er. „Sie haben ja auch erst mal keinen Grund, an ihnen zu zweifeln.“

Es ist noch längst nicht geklärt, ob es so etwas wie Online-Sucht, Handy-Sucht oder PC-Spiele-Sucht als eigenständige Krankheit überhaupt gibt. Anerkannt sind sie als solche noch nicht; die Weltgesundheitsorganisation WHO ringt um Definitionen. Auf der anderen Seite gibt es ganz offensichtlich Menschen, die Hilfe brauchen. So ist das „Auxilium Reloaded“ auch nicht die einzige Anlaufstelle: An der Uniklinik Bochum gibt es seit einigen Jahren eine „Medienambulanz“, an der Uniklinik Mainz eine „Ambulanz für Spielsucht“. Auch viele Suchtkliniken betreuen Menschen, die mit ihrem Spielekonsum nicht mehr klarkommen. Doch nur im „Auxilium Reloaded“ können Jugendliche bis zu 20 Monate dauerhaft wohnen.

Bad putzen statt zocken

Für Joe war das anfangs alles nicht leicht. „Ich musste mich erst mal in die Pflichten hineinfinden“, sagt er. Bad putzen. Küche putzen. Zimmer aufräumen. Regelmäßig zur Gruppentherapie gehen. Neue Hobbys finden. Er hat viel ausprobiert: Sportvereine, Schach spielen und jetzt die Politik – auf seinem gelben Kapuzenpulli steht „Freiheitskämpfer“, ein Slogan der FDP. An seiner neuen Schule hat er Anschluss gefunden. Nach dem Unterricht geht er regelmäßig zu Freunden nach Hause, wo dann die Versuchung wartet. Denn die meisten seiner neuen Bekannten wissen nichts von seiner Vorgeschichte und zocken, wie in diesem Alter üblich, gerne in der Freizeit. Doch Joe hat gelernt, Nein zu sagen, besonders bei Spielen, die seinem Suchtmuster entsprechen.

Aus Sicht seiner Betreuer befindet sich Joe nach fünf Monaten auf einem guten Weg. In diesem Stadium dürfte er 30 Minuten in der „Black Box“ zocken, einem sonst verschlossenen Medienraum im Dachgeschoss des Wohnheims. Doch Joe zögert. „Ich hab das Gefühl, dass ich noch warten kann. Ich will keinen Rückfall erleben.“ Mit seinen Mitbewohnern zockt er übrigens nach wie vor sehr gerne: „Die Siedler von Catan“ – ein Brettspiel, ganz ohne Bildschirm, Tastatur und Internetzugang.

Wenn Spielen zur Sucht wird

Die Uniklinik Tübingen bietet auf dem Online-Portal „Erste Hilfe Internetsucht“ umfangreiche Informationen. Dort findet man eine Liste von Fragen, die sich exzessive Computerspieler stellen sollten:

Gibt es Bereiche, die von dem, was ich online mache, beeinträchtigt werden?

Machen mir andere Dinge überhaupt noch Spaß?

Wäre mein Leben ohne Internetzugang vollkommen leer?

Habe ich noch Zeit fürFreunde, Familie, Partner?

Tue ich nur noch das Nötigste für Schule, Studium oderBeruf?

Lebe ich einigermaßen gesund (ausreichend Schlaf, regelmäßige Mahlzeiten, vielleicht noch etwas Sport, der nicht nur in der virtuellen Welt stattfindet)?

Wie geht es mir mit dem,was ich online mache? Habe ich häufiger Schuldgefühle, ein schlechtes Gewissen oder ein Gefühl der Leere ohne Onlineaktivitäten?

Kann ich anderen davonoffen erzählen, ohne dass sie bedenklich gucken und mich zu beraten versuchen?