O hne Trends gibt es keine Innovationen. Und weltweite Hypes wie der aktuelle um den Handkreisel Fidget Spinner spülen der Branche Millionen in die Kassen. Doch solche kurzfristigen Trends bergen für Hersteller und Händler auch Gefahren.

Stuttgart - Wird der Handy-Daumen bald von der Fidget-Spinner-Hand abgelöst? Seit Langem warnen Ärzte vor den gelenkschädigenden Wirkung von exzessivem Smartphone-Konsum: Durch permanentes Wischen und Tippen bei verkrampfter Handhaltung drohten Überlastungsschmerzen, chronische Entzündungen und Arthrose. Die Belastung beim derzeit beliebten Pausenhof- und Bürospielzeug Fidget Spinner dürften ähnlich einseitig sein, auch wenn dazu immerhin drei Finger benutzt werden. Eltern müssen ihren Kindern allerdings nicht aus Furcht vor Krankheitssymptomen das Spielen mit dem Spinner verbieten, schließlich spricht einiges dafür, dass der Trend ähnlich schnell vorbeigeht, wie er gekommen ist.

 

Einer, der diese Meinung vertritt, ist Heiko Windfelder vom Stuttgarter Kosmos-Verlag: „Wir glauben, dass Fidget Spinner nach Weihnachten keine große Rolle mehr spielen.“ Er ist Programmleiter Spielware und Mitglied der Geschäftsleitung beim Spiele- und Buchverlag und unterscheidet bei Spielwarentrends zwischen kurzfristigen und mittel- bis langfristigen Erscheinungen. Das Paradebeispiel für einen nachhaltigen Trend sei der Rubik-Zauberwürfel. Nie wirklich aus der Mode gekommen sind auch das Jo-Jo oder der Flummi.

Den Handkreisel ordnet Windfelder dagegen in die Kategorie „kurzfristig“ ein. Dort trifft er etwa auf die bunten Loom-Armbänder, die vor zwei Jahren der letzte Schrei vor allem bei Mädchen waren, mittlerweile aber nicht mehr die Verkaufszahlen von damals erreichen. „Wir sind nicht auf dieses Saisongeschäft ausgerichtet, sondern haben langfristigere Ziele“, sagt der Kosmos-Manager. Es sei auch riskant, einem kurzfristigen Trend hinterherzulaufen: „Wenn Sie zu spät auf den Zug aufspringen, bleiben Sie auf hohen Stückzahlen sitzen.“ Der Fidget-Spinner-Trend habe sich im Frühjahr 2017 angedeutet und sei im Sommer regelrecht explodiert.

An einem Wochenende werden 10 000 Fidget Spinner verkauft

Ähnliches berichtet auch der Handelsverband Spielwaren (BVS): Auf dem Höhepunkt des Hypes seien im Mai bis zu 10 000 Stück an einem Wochenende verkauft worden. Die deutschen Händler hätten bis Juni eine Million Euro zusätzlichen Umsatz mit den Kreiseln generiert. Doch selbst der Handel rechnet nicht damit, dass der Trend ein Jahr überdauern wird: „Nach Pokémon Go im letzten Jahr sind die Fidget Spinner der Sommertrend dieses Jahres“, teilte BVS-Verbandschef Willy Fischel mit.

Ein bisschen optimistischer sieht man die Sache knapp 200 Kilometer südlich bei Ravensburger: Zwar habe man selbst auch keine Fidget Spinner im Angebot. „Wir werden jedoch im Herbst ein Buch mit dem Namen ‚Spinner Challenge‘ ins Programm aufnehmen, denn wir sind davon überzeugt, dass der Trend noch etwas anhalten wird“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Getreu dem edukativen Ansatz, den das Familienunternehmen vom Bodensee verfolgt, erhalten die kleinen Leser in dem Buch Tipps und Tricks zum Umgang mit dem Kreisel. Auch Ravensburger sei mit seinen Spielsachen zwar „eher auf Langfristigkeit ausgerichtet“, allerdings „geben Trends dem gesamten Segment in der Spielware immer wieder neue Marktimpulse“, so der Firmensprecher. Solche Impulse versucht der Mitbewerber Kosmos vor allem mit zwei anderen Neuheiten zu setzen, von denen sich die Strategen der Stuttgarter ähnlich wie beim Sudoku-Trend mindestens eine Halbwertszeit von drei Jahren versprechen: Nummer eins sind Exit-Games. Für diese Brettspielereihe, bei der eine Gruppe gemeinsam verschlossenen Räumen entkommen muss, ist Kosmos gerade mit dem Preis „Kennerspiel des Jahres 2017“ ausgezeichnet worden. Die Reihe habe sich schon vor der Auszeichnung 250 000-mal verkauft. Das Spiel soll nun in 20 weiteren Ländern als Lizenzausgabe erscheinen.

Kosmos will den Einhorn-Trend „mitverursacht“ haben

Dass Trends auch wiederkehren können, weiß Kosmos-Geschäftsführer Windfelder aus eigener Erfahrung: So sieht sich der kleine schwäbische Spieleverlag zumindest als „Mitverursacher“ des aktuellen Hypes um Einhörner. Die verblüffende Erklärung: „Mit unserer Kinderbuchreihe ‚Sternenschweif‘ haben wir Einhörner schon seit fast 15 Jahren im Programm.“ Die aktuelle Faszination junger Frauen in den Zwanzigern erklärt sich Windfelder wie folgt: „Es könnte sein, dass sie unsere Bücher als junge Mädchen gelesen haben und sich den Einhörnern nun auf liebevoll-ironischer Ebene wieder zuwenden.“ Ähnliche Effekte beobachten die Stuttgarter auch bei ihren Dauerbrennern „Die drei Fragezeichen“ und „Siedler von Catan“. Auch für die Fans von Regenbögen und Sternenstaub erscheine noch in diesem Herbst ein neues Einhorn-Kartenspiel.

Vielleicht löst das Kartenspiel ja den Fidget Spinner als Schulhof-Attraktion ab. Ein Indiz dafür, dass der Stern des Kreisels schon wieder sinkt: Für gerade einmal drei Euro sind die Spielgeräte schon bei den Discountern Aldi und Lidl zu haben. Fidget Spinner heißt frei übersetzt so viel wie Zappelphilipp-Propeller. Nicht ausgeschlossen, dass sie aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden sind, bevor sich die Fach- und Medienwelt darüber einig geworden ist, ob sie nun eher der Konzentration dienen oder ihre vorher ruhigen Benutzer erst zu Zappelphilippen machen. Ein Spielzeug aus der Vergangenheit mit unbestrittenem therapeutischen Nutzen erlebt auch gerade ein Revival: bunte Knete – auch wenn sie heute intelligente und magische Knete oder hüpfender Kitt heißt.