Seit Anfang Juli ist bekannt, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) geheime Dokumente an US-Behörden verkauft hat. Das Parlamentsgremium zur Kontrolle der deutschen Geheimdienste erhält aber erst jetzt Akten zu den BND-Aktivitäten in der Türkei.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Seit Anfang Juli ist bekannt, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) geheime Dokumente an US-Behörden verkauft hat. Inzwischen klärt sich, was in den Unterlagen zu lesen war. Unter anderem ging es dabei um eher zufällig abgehörte Telefonate der amerikanischen Außenminister Hillary Clinton und John Kerry. Zudem erfuhren die Vereinigten Staaten dank ihres BND-Spions auch Details über die Einsatzpläne für den deutschen Auslandsgeheimdienst – etwa den Umstand, dass sich seit 2009 auch das Nato-Land Türkei im Visier des BND befindet.

 

Davon wusste bis jetzt auch das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste so gut wie nichts. Vor sechs Wochen informierte die Bundesregierung die Abgeordneten über den Spionagefall in den eigenen Reihen. Nach Auskunft einer Regierungssprecherin seien damals auch die heiklen Umstände offengelegt worden, die jetzt für Schlagzeilen sorgen – zumindest teilweise. Nach Auskunft von Clemens Binninger (CDU), dem obersten Kontrolleur, seien die Informationen aber „nur sehr abstrakt“ erfolgt. Von Clinton und Kerry sei nicht die Rede gewesen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte damals, der Inhalt der veruntreuten Dokumente sei „lächerlich“.

BND traditionell im Nahen Osten aktiv

Erst in dieser Woche will die Regierung dem Kontrollgremium die fraglichen Unterlagen vorlegen. Sie selbst hat angeblich „keinerlei Erkenntnisse“, dass ihr relevante Informationen durch den BND vorenthalten wurden. Zur Spionage in der Türkei wollte sich die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag nicht äußern. „Wo notwendig“ werde die Regierung Gespräche mit Partnerländern führen, sofern dort Missverständnisse entstanden seien.

Medienberichten zufolge steht die Türkei im so genannten Auftragsprofil für den BND. Dort würden außen- und sicherheitspolitische Themen aufgelistet, die für Deutschland von besonderer Bedeutung seien – um die sich der BND folglich zu kümmern hat. Neben Osteuropa zählt der Nahe Osten traditionell zu den Schwerpunktregionen des BND. Das Auftragsprofil für den deutschen Auslandsgeheimdienst wird laut Regierung routinemäßig alle vier Jahre aktualisiert. Das Papier werde nun auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt.

Binninger: Zwischen BND und NSA „liegen Welten“

Im Oktober 2013 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ Dies habe sich ausschließlich auf die Aktivitäten amerikanischer Geheimdienste in Deutschland bezogen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz, „auf genau diesen Sachverhalt“. Mit der Arbeit des BND in der Türklei sei dies nicht zu vergleichen, betonte Geheimdienst-Kontrolleur Binninger gegenüber der Stuttgarter Zeitung. „Zwischen den beiden Fällen liegen Welten“, sagte er.

Zu den abgehörten Telefonaten der US-Minister Clinton und Kerry erklärte Regierungssprecherin Wirtz: Im Falle von Überwachungsmaßnahmen in Krisenregionen sei „technisch nicht ausgeschlossen, dass auch andere Kommunikation mit erfasst wird“. Ein Sicherheitsexperte dazu: „Wenn man das ausschließen wollte, dürfte man solche Überwachungsmaßnahmen gar nicht betreiben oder man müsste vorher Gott und die Welt informieren.“

Trittin rät zu „weniger Wehleidigkeit“

Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Türkei sei ein wichtiger Nato-Partner, aber auch ein „hochproblematisches Transitland“ für organisierte Kriminalität. Zudem seien „terroristische Aktivitäten“ von größter Sicherheitsrelevanz für Deutschland. „All diese Bereiche müssen vom Bundesnachrichtendienst überwacht und ausgeforscht werden, um der Regierung kluges, vernünftiges Handeln zu ermöglichen.“ Der Grüne Jürgen Trittin riet in der Debatte zu „weniger Wehleidigkeit, mehr eigener Aufklärung und besserer Spionageabwehr.“ Die Sicherheit Deutschlands sei durch Vorgänge im türkisch-syrischen Grenzgebiet unmittelbar betroffen. Dass der BND dort Erkenntnisse sammele, sei ihm nicht vorzuwerfen: „Das ist seine Aufgabe.“