Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags soll klären, wie der amerikanische Geheimdienst Deutschland bespitzelt hat und welchen Schutz es gegen solche Neugier gibt. Am Donnerstag beginnt das Gremium mit seiner Arbeit.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Kürzel 18/843 markiert ein seltenes Ereignis. Unter diesen fünf Ziffern ist der Fragenkatalog verbucht, mit dem sich von heute an der so genannte NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags befassen wird. Seine Mission wird von sämtlichen Fraktionen unterstützt. Die große Koalition räumt der Opposition in dem Gremium sogar Rechte ein, die ihr formell gar nicht zustünden, weil ihr dazu eine Mindeststärke im Parlament fehlt. Linke und Grüne dürfen eigene Beweisanträge stellen und Zeugen benennen. Ob diese dann geladen werden obliegt jedoch der Mehrheit im Ausschuss.

 

Der Untersuchungsauftrag erstreckt sich auf 31 Leitfragen, die in drei Komplexe gegliedert sind. Zum einen geht es darum, das tatsächliche Ausmaß der Spionage amerikanischer und britischer Geheimdienste in Deutschland auszuleuchten. Insbesondere soll untersucht werden, in welchem Umfang die Kommunikation von Mitgliedern der Bundesregierung und des Parlaments abgehört wurde. Die Rolle des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes, der für die Spionageabwehr zuständig ist, wird von zentraler Bedeutung sein. Der Ausschuss soll aber auch klären, wie die Privatsphäre deutscher Bürger und die Vertraulichkeit der Kommunikation besser geschützt werden kann.

Ohne Snowden keine Aufklärung möglich?

Vorsitzender des Untersuchungsausschusses ist der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger. Er blickt seinem neuen Job mit Skepsis entgegen. Er sei „nicht optimistisch“, was den Ertrag einer Aufklärung der von Edward Snowden enthüllten Spionageaffäre angeht, sagt Binninger. Sofern es darum geht, die Spitzelarbeit etwa des US-Geheimdienstes NSA nachzuzeichnen, sei nicht auszuschließen, „dass wir am Ende mit leeren Händen dastehen“.

Umstritten bleibt vorerst, ob Snowden selbst von dem Ausschuss als Zeuge gehört wird. Die Opposition beharrt darauf. Sie wird auch vom Obmann der Sozialdemokraten, Christian Flisek (siehe Interview), unterstützt. „Wer Herrn Snowden nicht als wichtigen Zeugen hören will, der kann nicht aufklären“, sagt der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Er wird dem Ausschuss aber gar nicht angehören, zumindest nicht als ordentliches Mitglied. Die Grünen schicken Konstantin von Notz in das Gremium. Sie haben nur einen Sitz.

Binninger hält wenig davon, Snowden als Zeugen zu benennen. Eine schriftliche Befragung durch das EU-Parlament habe wenig ergeben. Snowdens per Mail übermittelte Antworten seien „sehr allgemein gehalten“ gewesen. Es sei dem Ausschuss wenig gedient, wenn er sich auf einen Wettbewerb einlasse nach dem Motto: Wer ist der medial spektakulärste Zeuge. Wenn Snowden etwas zur Aufklärung beitragen wolle, meint der Obmann der CDU-Fraktion, Patrick Sensburg, dann möge er Originaldokumente zur Verfügung stellen. Im Übrigen sei der Untersuchungsausschuss „nicht ein Snowden-Ausschuss“.

„Wir werden Dinge erfahren, mit denen wir nicht rechnen“

Das Gremium steht vor dem Problem, dass es Ausländer nicht in den Zeugenstand zwingen kann. Damit ist der Ausschuss auf das Wohlwollen der amerikanischen und britischen Regierung angewiesen. „Wenn Herr Obama ernst nimmt, was er gesagt hat, wird er Zeugen der NSA ermöglichen“, sagt Sensburg. „Wir werden Dinge erfahren und Zeugen erleben, mit denen wir am Anfang noch gar nicht rechnen.“

Es wird aber noch geraume Zeit dauern, bis der erste Zeuge vor dem Ausschuss antritt. Denn in den ersten Wochen seiner Arbeit will das achtköpfige Gremium zunächst Sachverständige vorladen, um die komplizierten rechtlichen und technischen Aspekte der Spionageaffäre zu klären. Dabei geht es unter anderem um die Frage, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen die Geheimdienste befreundeter Staaten in Deutschland tätig sind. Die Abgeordneten wollen außerdem wissen, wer die Knotenpunkte für elektronischen Datenverkehr betreibt und wie diese gegen ein Anzapfen geschützt werden. Zeugen sollen von Juni an geladen werden. Unklar ist auch, ob zum Beispiel die Bundeskanzlerin, das prominenteste Abhöropfer, aussagen soll. Wann der Ausschuss seine Ergebnisse präsentiert, ist ebenfalls völlig offen.

Zu den Streitfragen, die zu klären sein werden, zählt auch, ob die Ausschusssitzungen öffentlich sind. Die Opposition pocht grundsätzlich darauf. Der Vorsitzende Binninger verweist hingegen auf die Notwendigkeit, brisante, möglicherweise sicherheitsrelevante Informationen geheim zu halten. Er will aber „so viel als möglich öffentlich erörtern“.