Thomas Richter, langjähriger V-Mann des Verfassungsschutzes, wird im neuen NSU- Untersuchungsausschuss eine zentrale Rolle spielen. Er verfügte zu Lebzeiten auch über enge Kontakte in die rechtsextreme Szene von Baden-Württemberg.

Berlin - Wie groß war der Nationalsozialistische Untergrund wirklich? Wer wusste vor 2011 Bescheid, was das Kürzel NSU bedeutet? Wann ist dieses Markenzeichen rechtsextremer Gewalt zum ersten Mal aufgetaucht? Das sind einige der Fragen, auf die es noch immer keine klare Antwort gibt – vier Jahre, nachdem das braune Terrortrio aufgeflogen ist. Um diese und viele weitere Fragen wird sich demnächst ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuss kümmern. Dort hätte Thomas Richter die Rolle eines Kronzeugen spielen können – wenn er nicht vor einem Jahr unerwartet gestorben wäre. Richter war unter dem Decknamen „Corelli“ fast 20 Jahre lang Spitzel des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

 

Welche Rolle er im NSU-Umfeld gespielt hat und die mysteriösen Umstände seines Todes sind jetzt schwarz auf weiß nachzulesen. Im Auftrag des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste ist der frühere Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag diesen Fragen nachgegangen. Seine Erkenntnisse sind in einem 300 Seiten starken Bericht niedergelegt, von dem es jetzt eine 30-seitige Kurzversion ohne Geheimhaltungsklauseln für den Deutschen Bundestag gibt.

„Bezüge zwischen Ku-Klux-Klan und NSU-Umfeld“

Auch wenn „Corelli“ nicht mehr als Zeuge im neuen Untersuchungsausschuss aussagen kann, werde er für dessen Aufklärungsarbeit eine wichtige Rolle spielen, sagte am Mittwoch der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger. Er wird als Kandidat für den Vorsitz des Untersuchungsausschusses gehandelt. Aus den Spitzelberichten „Corellis“ an den Verfassungsschutz könnten sich Rückschlüsse ergeben, wer über NSU Bescheid wusste, als das Terrortrio noch im Untergrund war. Der V-Mann habe über seine Zugehörigkeit zum Ku-Klux-Klan hinaus über weit reichende Kontakte in die rechtsextreme Szene Baden-Württembergs verfügt, so Binninger.

Zudem gab es „Bezüge von KKK-Strukturen in das – zumindest weitere – NSU-Umfeld“, heißt es in Montags Bericht. Über einen verschlüsselten Internetchat unter dem Titel „Holocaust 2000“ hatte „Corelli“ 1999 eine Verbindung zu Achim Schmid aufgenommen, einem NPD-Mitglied und Veranstalter rechter Rockkonzerte in Baden-Württemberg. Er nahm regelmäßig an Ku-Klux-Klan-Treffen in der Gegend von Heilbronn und Schwäbisch Hall teil, wollte 2004 auch seinen Geburtstag „im großen Stil mit mehreren rechtsextremen Musikgruppen“ in einer Szenekneipe nahe Heilbronn feiern. Allerdings ist im Bericht des Sonderermittlers Montag vermerkt, dass es „keine Belege für eine Mitwisserschaft“ des Spitzels von der Existenz des NSU oder den ihm zugeschriebenen Verbrechen gebe. „Corelli“ wurde dazu mehrfach befragt. Er hat es stets geleugnet. Er habe „nur zu wenigen Personen engeren Kontakt“ gepflegt, die man dem NSU-Umfeld zurechnen könne. Den NSU-Terroristen Uwe Mundlos kannte er persönlich aus der Bundeswehrzeit, allerdings laut Montag-Bericht „nur flüchtig und nicht lange andauernd“.