MTV Stuttgart oder KTV Straubenhardt? Im Spitzenduell der Bundesliga machen der Erste und Zweite am Samstag (18 Uhr) in der Scharrena den Finaleinzug untereinander aus.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Vor knapp drei Jahren saß Marcel Nguyen schon einmal im Kaminzimmer der Gaststätte des MTV Stuttgart am Kräherwald, wohin der Turn-Bundesligist nur zu ganz besonderen Anlässen einlädt. Damals kam er an einem milden Dezembertag im weiten Wollpullover als neuer Olympiazweiter, um seinen Wechsel von der KTV Straubenhardt zu dem Bundesligarivalen zu besiegeln. Diesmal, an einem sonnigen Novembertag, platzierte er sich dagegen in einer blauen KTV-Trainingsjacke neben den MTV-Kapitän Sebastian Krimmer. Als Gegner.

 

Denn seit dieser Saison tritt Marcel Nguyen wieder für die Straubenhardter an. Am Samstag (18 Uhr) gastiert er mit ihnen in der Stuttgarter Scharrena. Es ist das Spitzenduell der Bundesliga, Tabellenerster gegen Tabellenzweiter. Es ist der Showdown zum Abschluss der regulären Saison, nur der Gewinner wird in das große Finale um die Meisterschaft am 5. Dezember in Karlsruhe einziehen. Und es ist das erste Aufeinandertreffen der baden-württembergischen Konkurrenten seit der Titelvergabe 2014, als die Stuttgarter sich mit einem 59:17-Kantersieg erstmals seit 2002 wieder die Goldmedaille sicherten.

Acht WM-Teilnehmer gehen an die Geräte

Und es ist Grund genug für Karsten Ewald, mal wieder ins Kaminzimmer der MTV-Gaststätte einzuladen – um neben der Pizza für die Presseleute („Die beste der nördlichen Hemisphäre“) den Turnleckerbissen anzupreisen. „Das ist der Wettkampf der Saison. Ich gehe davon aus, dass die Halle letztlich ausverkauft sein wird“, sagt der MTV-Geschäftsführer. Weil die drittplatzierte TG Saar (10:2 Punkte) ihren Vergleich beim SC Cottbus mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit gewinnen wird, müssen die Stuttgarter (12:0) zum Finaleinzug wegen des schlechteren Gerätepunkteverhältnisses die Straubenhardter schlagen.

„Es kann nur einen geben – so spannend wie dieses Jahr war es schon lange nicht mehr. Den Wettkampf zu Hause zu haben, ist göttlich“, sagt Sebastian Krimmer, und Karsten Ewald fügt an: „Was da an Leistungsdichte aufeinandertrifft, ist Weltniveau.“ Acht Teilnehmer der Weltmeisterschaften Ende Oktober in Glasgow werden an die Geräte gehen. Beim MTV Stuttgart sind das außer Sebastian Krimmer der erst kürzlich verpflichtete WM-Sechste Nikolai Kuksenkow (Russland), Kristian Thomas (Großbritannien) – und Fabian Hambüchen. Der Deutsche Meister ist nach einer Erkältung „voll motiviert und wird gut vorbereitet antreten“, wie der MTV-Teamkoordinator Sascha Palgen sagt.

Bei der KTV Straubenhardt um die vier WM-Starter Marcel Nguyen, Andreas Bretschneider, Anton Fokin (Usbekistan) und Filip Ude (Kroatien) wird dagegen der US-Amerikaner Paul Ruggeri als weitere Alternative für die Ausländerposition wegen Schulterproblemen fehlen. „Das schwächt uns an drei Geräten sehr, deshalb sehe ich die Stuttgarter mehr in der Favoritenrolle als uns“, sagt Marcel Nguyen, den eine Fingerverletzung handicapt.

Keine Kampfansagen, aber Sticheleien

2014 gewann er noch mit dem MTV den Titel, auch wenn er im Finale wegen eines Kreuzbandrisses fehlte. Danach entschied er sich zu einem Umzug von Stuttgart heim nach Unterhaching – und zu einer Rückkehr zur KTV Straubenhardt. „Ich habe da berufliche Hilfe für die Zukunft in Aussicht gestellt bekommen“, sagt der BWL-Student. „Ich hatte eine gute Zeit beim MTV, das war für beide Seiten fördernd. Und ich wurde ja auch gut ersetzt.“ Fabian Hambüchen übernahm die Rolle des MTV-Stars.

Die Hälfte seiner Trainingszeit absolviert Marcel Nguyen trotzdem nach wie vor im Stuttgarter Kunstturnforum unter der Anleitung von Valeri Belenki (auch MTV-Trainer), wie beispielsweise seit Donnerstag vergangener Woche. Spionage beim Gegner? Iwo. Die Athleten beider Teams kennen sich bestens, es gibt keine Geheimnisse voreinander, sondern nur Freundschaften untereinander. So kam letztlich auch die gemeinsame Vorabpressekonferenz im Kaminzimmer zustande, was bei Boxern Usus sein mag, bei Mannschaftssportlern aber nicht gerade üblich ist.

Anders als beim Boxen gab es keine gegenseitigen Kampfansagen. Sticheleien untereinander gehören aber dazu – unter den deutschen Nationalturnern schon seit der WM in Glasgow. „Es ist immer Feuer drin, gerade bei so einem Duell. Es gibt keine konkreten Wetten, aber der Verlierer wird auf jeden Fall was zu hören kriegen im Training“, sagt Marcel Nguyen. Dass er nächste Woche in Unterhaching übt, will er aber keineswegs als vorausschauende Vorsichtsmaßnahme verstanden wissen.