Für den Küchenpapst Paul Bocuse gehören kulinarischer und erotischer Genuss zusammen. Auch mit 90 Jahren schwingt er noch den Kochlöffel.

Paris - Er ist ein Verführer. Charme und Charisma sind seine Waffen. Die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick herausfordernd in die Runde gerichtet, eine Ehrfurcht gebietende, turmhohe Kochmütze auf dem Kopf, so pflegt Paul Bocuse vor die Kameras zu treten. Die Attitüde eines Siegers ist das. Und sie haben ja auch alle vor ihm kapituliert.

 

Die Gäste zunächst, die sich den Gaumenfreuden der von Bocuse mitbegründeten Nouvelle Cuisine hingeben, Frisches vom nahen Markt goutieren, schonend zubereitet. Dann die Restaurantkritiker, die des „Guide Michelin“ zumal, die dem Stammhaus des Meisters im bei Lyon gelegenen Weiler Collonges seit 1965 Jahr für Jahr drei Sterne verleihen. Aber auch so mancher Konkurrent aus der Gastronomiebranche hat klein beigegeben.

Ein globales Verköstigungsimperium

Einen Siegeszug um die Welt hat der Franzose angetreten, ein globales Verköstigungsimperium errichtet. Mit 700 Beschäftigten macht er 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Da mögen rund um den Erdball kulinarische Revolutionen toben, die von Frankreichs Feinschmeckern einst milde belächelten Skandinavier reihenweise Gourmetpreise abräumen: die klassische französische Küche à la Bocuse verkauft sich trotz allem noch immer gut.

Rund 20 Restaurants hat der geschäftstüchtige Koch eröffnet, acht allein in Japan. Eine Schule, das Institut für Hotellerie und Kulinarische Kunst, zählt ebenfalls zum Imperium, nicht zu vergessen der bedeutendste internationale Kochwettbewerb, bei dem alle zwei Jahre der Beste seines Fachs mit dem Bocuse d’Or geehrt wird, dem Goldenen Bocuse. Längst empfiehlt das Haus auch nicht mehr nur in die Küchengeschichte eingegangene Gerichte wie die Schwarze Trüffelsuppe. Champagner, Marmeladen, Tee, Terrinen, Konserven oder auch Küchen- und Tafelutensilien gehen, versehen mit dem Schriftzug des Meisters, ebenfalls in den Verkauf.

Bocuse teilt gleich mit gleich drei Frauen sein Leben

Zum Global Player avanciert kocht Bocuse nicht mehr selbst, sondern lässt kochen. Gefragt, wer im Stammhaus den Löffel schwinge, wenn er selbst unterwegs sei, hat er geantwortet: „Derselbe, der kocht, wenn ich da bin.“ Monsieur Ferrari habe seine Autos auch nicht selbst gebaut, pflegt Bocuse den bereits vor Jahrzehnten eingeleiteten Rückzug vom Herd zu begründen.

Nicht zuletzt hat der Franzose freilich Frauen in Bann geschlagen. Bett- und Gaumenfreuden sind für ihn eng verbunden. „Küche und Sex haben viel gemeinsam“, findet er. Hier wie da gehe es um Verbindung, verschlinge man mit den Augen, was man sehe, habe Hunger. Mit gleich drei Gefährtinnen teilt er sein Leben. Nicht heimlich tut er es. In aller Offenheit lebt er die Vielweiberei. Als Polygamie hat man ihm das angekreidet – zu Unrecht, hat er doch nur die erste Frau geheiratet.

Auch der Spitzenkoch muss dem Alter Tribut zollen

Von Raymonde, die er 1946 vor den Traualtar führte, hat er die Tochter Françoise, von Raymone, die zehn Jahre später hinzukam, den 1969 geborenen Sohn Jérôme. Die sich 1971 als Dritte hinzugesellende Patricia schließlich ist ständige Reisebegleiterin. Zum Mittagessen sei er meist bei Raymonde im Restaurant, zum Kaffeetrinken finde er sich im nahe gelegenen Haus Raymones ein, den Abend verbringe er gern mit Patricia, hat Bocuse halb im Scherz, halb im Ernst wissen lassen und hinzugefügt: „Ich mache das, wovon jeder Mann träumt.“ Dass dies für die Frauen manchmal weniger traumhaft war, ist ihm klar. „Ich bereue nichts außer vielleicht den Schmerz, den ich den Frauen meines Lebens zugefügt habe“, hat er gesagt, „ich hoffe, dass sie mir verzeihen.“

Doch selbst ein Mann wie Bocuse muss dem Alter Tribut zollen. Am Donnerstag feiert er seinen 90. Geburtstag. Anders als früher macht er nicht viel Aufhebens darum. Eine Herzoperation hat er hinter sich. Die Memoiren sind geschrieben. Eve-Marie Zizza-Lalu hat das übernommen, die Tochter der Drittfrau Patricia. Was fehlt, ist ein Erbe, der die Lücke füllen könnte, die Bocuse irgendwann hinterlassen wird.

Gewiss, der Sohn Jérôme kümmert sich zunehmend ums Geschäftliche. Er leitet das in Floridas Disneyland errichtete Restaurant, das einträglichste der Bocuse-Kette. Beim letzten Kochwettbewerb hat er den Goldenen Bocuse überreicht. Aber aus dem Schatten des Patriarchen vermochte der Sohn bisher nicht zu treten. Der Vater weiß das. Mit ihm, hat er gesagt, werde eines Tages eine Legende zu Ende gehen.