Entscheidungen treffen in der Regierung nur die großen Drei: Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer. Sie stellen die Weichen bei aktuellen Streitfragen.

Berlin - Das Bündnis der drei Volksparteien hatte kaum mit dem Regieren begonnen, da war das Vertrauensverhältnis bereits zerstört. So lautete das Fazit des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer nach den Eruptionen der Affäre um den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy und den dadurch ausgelösten Rücktritt des CSU-Ministers Hans-Peter Friedrich. Die Stimmung unter den Koalitionsparteien ist vergiftet – höchste Zeit für die drei Parteivorsitzenden, den Blick wieder nach vorn zu richten. Sie trafen sich am Dienstagabend im Kanzleramt, um wichtige, wenn auch im Detail umstrittene Projekte der großen Koalition aufs Gleis zu bringen.

 

Den großen drei ist dringend daran gelegen, nach lähmenden Wochen endlich konkrete Arbeitserfolge vorlegen zu können. Das dürfte nun leichter fallen, da die CSU in  Bayern die Kommunalwahlen – einige Stichwahlen ausgenommen – hinter sich gelassen hat. Bei der SPD gehen die Strategen deshalb davon aus, dass die Verhandlungen mit Seehofer in den kommenden Wochen ergebnisorientierter verlaufen werden. Recht weit gekommen ist man schon beim Thema Mindestlohn; hier war vor dem Spitzentreffen noch strittig, welche Ausnahmen gelten sollen. CSU-Chef Seehofer gab zu bedenken, dass Langzeitarbeitslosen nicht durch Mindestlöhnen die Rückkehr ins Berufsleben verwehrt werden dürfe. In einer Anlernphase müsse es möglich sein, diesen auch weniger als die angestrebten 8,50 Euro zu zahlen. Seehofer stellte aber zugleich klar, dass er keine Fundamentalopposition anstrebe. „Wir wollen die Idee des Mindestlohns nicht infrage stellen“, sagte er.

Union will Mindestlohn erst ab 25 Jahren

Praktikanten und ehrenamtlich Tätige, die eine Pauschale erhalten, müssten aber ausgenommen werden. Ginge es nach dem Willen der CSU, würde der Mindestlohn nur bei Arbeitsverträgen gelten. Allerdings hat die CSU von der Forderung Abstand genommen, Rentner vom Mindestlohn auszunehmen. Sie pocht aber darauf, dass der Mindestlohn nicht schon für 18-jährige Nachwuchskräfte gelten soll. Dies unterstrich Gerda Hasselfeldt am Dienstag, die Chefin der CSU-Bundesabgeordneten. Sie verweist auf Frankreich, dessen Mindestlohn von der SPD immer als „Paradebeispiel“ dargestellt worden sei. Dort gelte er erst ab 25 Jahren.

Auch in der CDU wurden Rufe zu Gunsten einer höheren Altersgrenze laut. Der Wirtschaftsflügel der Union plädierte für ein Limit von 21 Jahren. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) stieß in das gleiche Horn. „Fast 60 Prozent der Jugendlichen sind älter als 18 Jahre, wenn sie eine Ausbildung beginnen“, sagte sie. Das spreche dafür, „die Altersgrenze heraufzusetzen“. In der SPD ist aber die Bereitschaft gering, zu viele Ausnahmen zuzulassen.

Bei der Energiewende drang SPD-Chef Sigmar Gabriel, der als Wirtschaftsminister dafür zuständig ist, auf eine Einigung. Strittig war hier zuletzt vor allem die Trassenführung der drei Höchstspannungsleitungen, die Windstrom aus dem Norden in den wirtschaftlich starken Süden transportieren sollen. Seehofer hatte im Kommunalwahlkampf dagegen massiv Stimmung gemacht und die östlichste der drei Leitungen offen infrage gestellt. Hasselfeldt plädierte dafür, zunächst die angestrebte Reform über die Förderung der erneuerbaren Energie auf den Weg zu bringen und dann eine Verständigung über die Ausbauziele für einzelne Energiequellen zu erreichen. Erst danach lasse sich seriös abschätzen, wie groß der Bedarf an einem Ausbau der Stromtrassen sei.

Der Koalitionsausschuss hat noch nie getagt

Auch die Rentenpolitik dürfte noch einmal Gesprächsstoff gewesen sein. Bei der Rente mit 63 war unter anderem noch zu klären, wie Zeiten der Arbeitslosigkeit anzurechnen sind. Die CDU habe ein großes Interesse daran zu klären, „inwieweit man die Frühverrentung stoppen kann“, sagte der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, vor dem Spitzentreffen. Auch für Hasselfeldt ist das ein wichtiges Anliegen. Die Rente mit 63 dürfe keinesfalls eine Welle von Frühverrentungen auslösen, betonte die CSU-Frau.

Bis jetzt herrscht noch eine Art Ausnahmezustand in der großen Koalition. Eigentlich hatten sich die drei Regierungsparteien darauf verständigt, ihre Politik in regelmäßigen Koalitionsausschüssen abzustimmen. Dazu ist es bisher kein einziges Mal gekommen. Die Parteichefs treffen sich lieber in kleiner Runde. Bis jetzt haben sie es nach solchen Gespräche auch stets geschafft, die Vertraulichkeit zu wahren. Entscheidend sei ohnehin nicht das Format der politischen Verständigungsprozesse, sondern allein das Ergebnis, sagt Hasselfeldt. Wichtig dafür sei die Rückkopplung von der Spitzenebene in die Parteien. Ihr Eindruck bisher: „Der Austausch funktioniert, und damit ist es gut so.“