Die Stadt will mit „Sport im Park“ Menschen erreichen, die nicht im Verein sind. Zu Gast im Exotischen Garten.

Hohenheim - Der Trick ist, auf seinen Bauchnabel zu achten. Er ist, sozusagen, der Dreh- und Angelpunkt. Das hört sich dann so an: „Wir bauen jetzt die Grundspannung auf und ziehen den Bauchnabel zur Wirbelsäule.“ Oder auch: „Jetzt lassen wir den Bauchnabel im Kreis wandern.“ Über drei, sechs und neun Uhr bis zur Zwölf-Uhr-Stellung. So funktioniert Pilates. 20 Bäuche zucken im Takt von Klaus Kreiselmayers Anweisungen, so gut sie es können. Sie heben sich, sie bewegen sich – und hin und wieder sinken sie auch träge der Erde entgegen, wenn das mit der Grundspannung nach einiger Zeit nicht mehr so recht klappen will. Der Schweiß zeichnet sich auf Hemden ab, tropft von so mancher Stirn auf den Rasen im Exotischen Garten. Eine Dame gehobenen Alters drückt ihr Gesicht ins Handtuch.

 

Willkommen beim Sport im Park, einem neuen Angebot der Stadt in Zusammenarbeit mit Vereinen. An zwölf verschiedenen Standorten in Stuttgart wird zwischen Mai und September Sport getrieben – im Schlossgarten, auf dem Killesberg, an der Villa Berg, auf der Rohrer Höhe oder eben auch in der Parkanlage der Universität Hohenheim. Kommen kann jeder, der will. Ohne Anmeldung, ohne Mitgliedschaft, und ohne Geld zu bezahlen. Wer mal nicht mitmachen will, bleibt einfach zuhause. Der Einstieg ist für Interessierte jederzeit möglich. Das ließe sich verkürzt auch so erklären: freies Sporteln im Freien.

„Andere Städte machen das schon länger. Unser Vorbild war München“, sagt Nadine Philipp, die das Projekt für das Sportamt in den vergangenen Jahren betreut hat. Es war im Jahr 2010, da schwappte das freie Sporteln von der bayrischen in die baden-württembergische Landeshauptstadt. Im ersten Jahr kamen 24 Termine zustande, 2011 waren es schon 150. In diesem Jahr können die Freizeitsportler an 300 Terminen schwitzen. Philipp spricht von einem Erfolgsmodell. „Nach der Anlaufphase hat sich das herumgesprochen und viele Vereine wollen mitmachen“, sagt sie. In diesem Fall ist es der TV Plieningen.

„Immer lächeln, auch wenn es dabei anstrengend ist“

Dem 92 Jahre alten Hickorybaum sei Dank. 1920 wurde das Walnussgewächs in Hohenheim gepflanzt. Inzwischen überragt er die Nachbarbäume, und sein Schatten legt sich kühl auf die Wiese. Kreiselmayer, der Trainer, geschätzte null Gramm Körperfett und drahtig wie ein Langstreckenläufer, legt eine CD in die kleine Anlage, die er mitgebracht hat. Die silberne Scheibe mit der Aufschrift Power Aerobic bleibt ungenutzt, stattdessen dreht sich die mit Entspannungsmusik. Das passt zum Gezwitscher der Vögel. Und irgendwie auch zu Kreiselmayers nächster Anweisung. „Immer lächeln, auch wenn es dabei anstrengend ist.“

„Man tankt Energie“, sagt Ingrid Eisenbeiß. „Man kann die Woche mit einer gemütlichen Sportstunde ausklingen lassen.“ Sie ist nach Hohenheim geradelt, die Isomatte hat sie zusammengerollt auf den Gepäckträger geschnallt. „Solche Angebote sollte es eigentlich mehr geben“, sagt sie. „Ich beobachte das in meinem Freundeskreis. Viele wollen etwas tun.“ Aber Gebühren, Mitgliedsbeiträge und daraus entstehende Verpflichtungen hielten sie davon ab, zu einem Sportverein zu gehen. Dietlind Coils ist vor allem vom Exotischen Garten begeistert. „Das ist toll. Es ist an der frischen Luft und sehr abwechslungsreich“, sagt sie. „Und jeder hat seinen Spaß.“

Was auch daran liegt, dass sich die Veranstaltung nicht an gestählte Fitnesskörper in knappen Hot Pants und engen Muskelshirts richtet, sondern an Durchschnittsmenschen. Auf den Matten liegen an diesem Freitag junge Mütter, deren Kinder umherlaufen, Gras zupfen und in die bunten Hütchen stecken, die auf dem Rasen aufgestellt sind. Einige Mittfünfziger sind gekommen und auch rüstige Senioren. Manche sporteln regelmäßig, sie tragen Funktionskleidung. Andere haben kurze Hose und Schlabberhemd an.

„Vereine müssen umdenken“

„Ich glaube, die Vereine müssen umdenken und in neue Richtungen gehen“, sagt Folker Baur, der Vorsitzende des TV Plieningen. Der Verein beteiligt sich in diesem Jahr zum ersten Mal an der Aktion. „Wir haben eine soziale Verpflichtung, auch mal etwas für die Menschen anzubieten, das nichts kostet“, sagt er. „Und mittelfristig können wir so vielleicht auch das eine oder andere neue Mitglied gewinnen.“

Für die Spaziergänger ist die neue Richtung noch gewöhnungsbedürftig. Aus dem Fernseher mag man das ja kennen. Aber im Exotischen Garten ist das fast so exotisch wie so manche Pflanze. Die Jogger, die vorbeilaufen, schauen nicht mehr auf den Weg. Auch die Studenten drehen den Kopf, eine Passantin setzt sich auf eine Parkbank und guckt zu. Einzig das Pärchen, das knapp 100 Meter entfernt in der Sonne liegt, lässt sich nicht stören. Es knutscht beim Aufwärmtraining zu Beginn, beim Bauchnabelwandern, beim Bein-in-die-Luft-strecken und bei den Entspannungsübungen am Schluss. Eine Stunde hat das gedauert, zwischendrin ist so mancher ausgestiegen, hat sich auf seine Matte gesetzt und einfach zugeschaut.

Das letzte Wort gehört Kreiselmayer: „Ich wünsche euch einen Muskelkater und ein schönes Wochenende.“

Sport in Stuttgart

Hohenheim:
In den Bezirken unterm Fernsehturm wird Sport im Park nur im Exotischen Garten der Universität Hohenheim angeboten, und zwar auf der Wiese am Eingang Garbenstraße. Organisiert wird die Veranstaltung vom TV Plieningen. Gespor-telt wird jeweils freitags von 18 bis 19 Uhr. Auf dem Programm steht Fitness, der Trainer passt die Schwierigkeit den Teilnehmern und dem Wetter an. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Aktion läuft noch bis zum 23. September.

In der Nähe:
Auf dem Fasanenhof treffen sich die Freizeitsportler jeweils montags um 10 Uhr im Bürgergarten am Jugendhaus, Fasanenhofstraße 171. In Vaihingen treiben die Teilnehmer mittwochs von 10 Uhr an Sport in dem Park beim Seniorenwohnheim Haus auf der Rohrer Höhe, Musberger Straße 52.

Weitere Standorte: Andere Gruppen treffen sich in Parkanlagen in Bad Cannstatt, Botnang, Mühlhausen, Münster, Weilimdorf, Zuffenhausen, Stuttgart-Nord, -Ost und -Mitte. Interessierte können dort hingehen, wo sie wollen. Sie können an mehreren Veranstaltungen in der Woche teilnehmen und die Gruppe wechseln, wenn sie ihnen nicht gefällt. Es gibt keine Verpflichtungen, Kosten entstehen nicht.

Internet: Wer Näheres über die Aktion Sport im Park erfahren will und sich für Zeiten und Adressen interessiert, findet sie im Internet unter www.stuttgart.de/sportimpark.