Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)
Die Anführer hierzulande haben gerade bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds eine Spitzensportreform auf den Weg gebracht. Was halten Sie davon?
Es gibt in dieser Reform Ansätze, die einzelnen Sportarten gerechter zu bewerten als bisher. Ob es tatsächlich so ist, muss die Umsetzung der Änderungen zeigen.
Ist es in der heutigen Zeit aber nicht ein Widerspruch in sich, wenn DOSB und Innenministerium einen sauberen Sport propagieren und gleichzeitig mehr olympische Medaillen einfordern?
Das Ziel „Mehr Medaillen“ als Begründung für eine solche Reform zu nennen, halte ich für völlig falsch. Weil es den Eindruck stärkt, im Sport ginge es allein um Sieg und erste Plätze. Im Sport der Millionen in den mehr als 80 000 deutschen Sportvereinen spielt er eine völlig andere, aber entscheidende Rolle für die Gesellschaft. Diese Vereins- und Breitensportstrukturen sind vermutlich die wichtigsten gesellschaftspolitischen Stabilisatoren in einer der Toleranz und dem Miteinander verpflichteten Republik. Diese Vereine stehen wie nichts anderes für soziales Miteinander, lebendige Kommunikation und das friedliche Zusammenleben von Rassen und Religionen.
Sehen Sie durch diese Reform, die in erster Linie erfolgreiche Disziplinen fördern will, die Artenvielfalt des deutschen Sports gefährdet?
Wenn Sportarten, die derzeit keine Spitzenleistungen bringen, tatsächlich aus der Förderung fliegen, wäre das der Fall. Aber ich glaube nicht, dass sich eine solche Politik im deutschen Sport und in der deutschen Öffentlichkeit durchsetzen ließe. Das schlimme Beispiel DDR, wo der Staat rücksichtlos Sportarten aussortierte, die keine Chancen auf Olympiamedaillen hatten, steht vielen Menschen noch vor Augen.