Beim 16. Sport-Talk der Sportregion Stuttgart loten Athleten, Funktionäre und der Kultusminister Andreas Stoch die Möglichkeiten und die Grenzen der Inklusion im Training und im Unterricht aus.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Schorndorf - Auf dem Podium in der Künkelinhalle in Schorndorf sitzen ausgewiesene Fachleute, die sehr gut einschätzen können, was geht und was nicht geht im (Behinderten-)Sport: Andrea Rothfuss, Goldmedaillengewinnerin bei den Paralympics 2014, und Niko Kappel, mehrfacher Leichtathletik-Weltmeister bei den Jugendweltmeisterschaften der Internationalen Wheelchair & Amputee Sport Federation. Der Schwarzwälderin Andrea Rothfuss, 25 Jahre alt, fehlt seit der Geburt die linke Hand. Der 19-jährige Welzheimer Niko Kappel ist kleinwüchsig. Beide sind Hochleistungssportler.

 

Beim 16. Sport-Talk der Sportregion Stuttgart wird an diesem Abend das Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Inklusion im Sport“ diskutiert. Andrea Rothfuss sagt, der Sport biete großes Potenzial für die Integration, denn viele Aktive seien „offen“. Sie selbst habe zusammen mit nicht-behinderten Kindern gelernt, Ski zu fahren. „Zunächst fahren ja sowieso alle Anfänger ohne Stöcke.“ Später habe sich ihr Trainer unvoreingenommen darauf eingelassen, ein behindertes Mädchen zu betreuen.

„Ganz normal“ alles ausprobiert

Niko Kappel erzählt, dass er zunächst ausschließlich mit seinen Welzheimer Kumpels gekickt habe. Später habe er bei den Turn- und Sportfreunden Welzheim „ganz normal“ alles ausprobiert und herausgefunden, dass ihm in der Leichtathletik die Wurfdisziplinen besonders liegen. Das große Ziel sei die Teilnahme an den nächsten Paralympischen Spielen 2018.

Der Kultusminister Andreas Stoch sagt, es sei ermutigend, dass die Finals der Schulwettbewerbe „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ gemeinsam ausgetragen würden. Im gemeinsamen Schulunterricht bereite die Notengebung indes große Probleme. Im kommenden Jahr hätten Eltern behinderter Kinder ein Wahlrecht, sie könnten entscheiden, ob ihr behindertes Kind eine Sonder- oder eine Regelschule besuchen soll. Möglichst bis zum Sommer müsse also eine Regelung gefunden werden, die bei der Notengebung Gleichberechtigung garantiere. Das, sagt der Minister offen und ehrlich, werde „sehr schwierig“ werden.

Gemeinsam starten, getrennt werten

Der unterschenkelamputierte Weitspringer Markus Rehm, der mit einer Prothese antritt, habe die Diskussionen aber beflügelt. Der Deutsche Leichtathletik-Verband habe kürzlich mit Verweis auf Rehm entschieden, dass behinderte und nicht-behinderte Sportler von 2015 an gemeinsam starten können, aber getrennt gewertet werden. Dieses Votum, sagt Stoch, weise in die Richtung, „wie wir mit Behinderung umgehen sollten“.

Wären gemeinsame Wettkämpfe auch eine Option für die Olympischen und die Paralympischen Spiele? Diese Frage der Moderatorin Valeska Homburg beantwortet Andrea Rothfuss ohne länger nachzudenken: „Eine schöne Idee, aber nicht machbar“, wegen der viel zu vielen Sportler, die so eine Mammutveranstaltung sprengen würden. Sie wünsche sich indes mehr „mediale Aufmerksamkeit“ für die Paralympics und den Behindertensport.

„Fortbildungsoffensive“ für die Lehrer

Der Schorndorfer OB und Vorsitzende der Sportregion, Matthias Klopfer, sagt: Die Lehrer hätten nicht gelernt, wie behinderte und nicht-behinderte Schüler gemeinsam unterrichtet werden. Notwendig sei eine Fortbildungsoffensive. Zudem sollten externe Fachkräfte der Sportverbände an die Schulen geholt werden.

Der Pragmatiker Klopfer sagt am Rande der Veranstaltung allerdings auch, er erwarte keinesfalls, dass die Sonderschulen aufgelöst werden. Längst nicht alle behinderten Kinder könnten und sollten Regelschulen besuchen. Die Integration von geschätzt einem Viertel aller behinderten Kinder an den Regelschulen werde zudem kaum kostenneutral zu machen sein.