Mit einer neuen Betriebskultur geht die Firma Sporthacks an den Start: Die Kunden entwickeln das Produkt.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - „Wir sind alle Spielmacher“ steht auf einem Plakat des Esslinger Unternehmens Sporthacks, und das Spiel geht so:

 

Stelle ein Produkt her und mache es durch virales Marketing bekannt. Schaffe dir mit einer großen Internetcommunity Kunden, die dir sagen, welche Produkte sie benötigen und wie man die vorhandenen verbessern kann. Gehe mit diesem verbesserten Produkt im Internet durch die Decke. Das ist gerade der Tasche „One 24“ passiert: Sie hat auf einer Crowdfunding-Plattform inzwischen 86 000 Euro eingespielt.

Geh die extra Meile!

Die Tasche One 24 ist ein gut sortierter Begleiter: Wer etwa zwei Tage geschäftlich nach London fliegt, der nimmt nur Handgepäck mit. Wenn er aber nach einem Arbeitstag noch ein paar Meter joggen will, dann werden die Eingeweide einer herkömmlichen Tasche schnell unübersichtlich. Und oft auch unappetitlich, wenn sich die Krawatte um die vermatschten Laufschuhe wickelt und das Laufshirt den Anzug vollstinkt.

Die Sporthacks-Tasche hat ein Fach für Schuhe, für den Laptop, ein nahezu wasserfestes Fach für die Trinkflasche und eins für saubere und eins für schmutzige Wäsche. Letzteres Fach ist golden, weil sich der Sportler ja für seinen Einsatz etwas Gold verdient hat. Außerdem kann man seine Gymnastikrolle dranschnallen oder seinen Volleyball. Man merkt, dass diese Business-, Laptop- und Sporttasche genau den Zeitgeist widerspiegelt: Die Geschäftswelt ist sportlich, vernetzt und professionell – oder sollte es zumindest sein.

Sei respektvoll und demütig!

Die sechs Mitarbeiter von Sporthacks sind es jedenfalls und gewillt, jene „extra Meile zu laufen“, die das zweite Plakat an der Bürowand fordert. „Sei respektvoll und demütig“ fordert das dritte. „Wir verlassen unsere Komfortzone“ steht auf dem vierten. Das sind auch die Kernsätze dieser Firma. Ungewöhnlich ist sie tatsächlich: Die Schreibtische stehen in einem Fotostudio, im Nebenzimmer lädt eine Tischtennisplatte zum Austoben ein, im Besucherraum steht eine Bibliothek mit den Memoiren von erfolgreichen Firmengründern wie Elon Musk und Steve Jobs. Ein provisorisches Tonstudio gibt es ebenfalls für das Internetradio.

Gegründet hat die Firma in der Esslinger Heugasse Till Augner. Die Tätowierung auf seinem linken Oberarm gibt zwei Zahlenwerte an, eine geografische Länge und eine geografische Breite. Dieser Schnittpunkt zweier Kreise ist nicht nur räumlich zu verstehen, sondern auch zeitlich: Er markiert den Wendepunkt in seinem Leben.

Till Augner stand 2014 auf dem Zuckerhut in Rio de Janeiro, unter sich das Meer, hinter sich die 6,7 Millionen Einwohner zählende Stadt. In diesem Moment beschloss er, sich selbstständig zu machen und gerade das nicht zu tun, was ihm vorgezeichnet schien: weiterzumachen als Wirtschaftsingenieur bei Daimler-Benz, sondern seinen Traum zu verwirklichen und selbst eine Firma zu gründen.

Raus aus der Komfortzone!

Till Augner, 31, ist in Esslingen-Wiflingshausen aufgewachsen, studierte an der Hochschule Esslingen, er kickt seit 1993 beim RSK-Esslingen. Sein erstes Produkt war ein Halter für Schienbeinschoner, weil es ihn nervte, sie im Spiel ständig zurechtrücken zu müssen. Das Kapital hatte er sich zusammengespart, die Youtube-Videos drehte er selbst. Mit der lokalen Plattform „Regio-Helden“ und dem Geschäftspartner Feliks Eyser kam Schwung in den Betrieb. Till Augner verbesserte das viralen Marketing und schuf die Community, die ihm nicht nur Ideen liefert, sondern auch dafür sorgt, dass das Unternehmen weiter wächst.

Wenn die Firma ihre Ideen mit den Kunden diskutiert, hat Till Augner keine Angst vor Nachahmern. „Entscheidend ist nicht die Idee“, sagt er, und das könnte das unausgesprochene fünfte Motto dieses Esslinger Startups sein: Entscheidend sei es, dass man die Idee umsetze.