Nur drei Punkte beträgt der direkte Vorsprung auf die Abstiegsränge – eine Situation, die Sportchef Michael Reschke vom VfB Stuttgart als „dramatisch“ bezeichnet. Im Trainingslager in La Manga äußert sich der Manager ausführlich zu aktuellen Themen.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Seinen Wunschspieler Dominic Solanke hat Sportvorstand Michael Reschke vom VfB Stuttgart nicht bekommen. Jetzt soll Plan B greifen. „Aber die Entscheidung liegt nicht allein bei uns“, unterstreicht der 61-Jährige im Interview die Schwierigkeiten im aktuellen Transfergeschäft. Das sagt Reschke außerdem über . . .

 

. . . Spielertransfers in der Winterpause: „Das ganze Transferfenster im Winter ist sehr speziell, weil der Spielermarkt viel kleiner ist als im Sommer und es beispielsweise keine auslaufenden Verträge gibt. Die Gesamtsituation der Vereine ist eine ganz andere. Es gibt speziell bei den Clubs einen Bedarf, die in sportlich kritischen Situationen sind. Die bewegen sich alle in dem engen Markt. Vergangenes Jahr ist uns alles gut geglückt. Wir haben mit Mario Gomez, Erik Thommy und der Leihe von Jacob Bruun Larsen drei Transfers gemacht, die alle sinnvoll waren. Wir streben wieder eine ähnliche Bilanz an.“

. . . die aktuelle Suche nach Neuzugängen: „Fakt ist, dass wir keinen Aktionismus betreiben werden. Wir werden nur Personalien umsetzen, von denen wir überzeugt sind, dass sie Sinn machen – dass sie uns sportlich weiterbringen und sich in einem wirtschaftlich sinnvollen Rahmen bewegen. Wir haben ein gewisses Budget zu Verfügung. Aber es geht nicht darum, dieses um jeden Preis auszuschöpfen. Es ist wichtig, die Themen mit Augenmaß abzuwickeln. Die eine oder andere Wunschlösung, die wir realisieren wollten, hat sich leider nicht erfüllt. Jetzt geht es darum, andere interessante Lösungen zu finden.“

. . . den Wechsel von Wunschkandidat Dominic Solanke für rund 21 Millionen Euro vom FC Liverpool zum AFC Bournemouth: „Dass wir an einer Leihe von Solanke interessiert waren, kann ich bestätigen. Dominic ist ein Spieler, von dem wir überzeugt waren, dass er uns entscheidend weitergeholfen hätte. Am Ende wollte er unbedingt in England bleiben. Es ist ja jetzt noch einmal eine ganz andere Lösung mit dem Verkauf, wie sie vor zwei, drei Wochen noch gar nicht denkbar war. Für uns war immer nur eine Leihe realistisch, von der Größenordnung, einen Solanke zu kaufen, sind wir noch meilenweit entfernt.“

. . . Plan B nach der Absage: „Wir prüfen, was sinnvoll und umsetzbar ist. Für jeden Tag, den wir einen möglichen Neuzugang früher im Kader haben, sind wir froh. Es ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit da, dass wir noch aktiv werden. Aber die Entscheidung liegt ja nicht alleine bei uns. Da gibt es den Spieler, den abgebenden Verein und eine Konkurrenzsituation mit anderen interessierten Vereinen. In dem Karussell drehen wir uns.“

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. . . das Szenario ohne weiteren Winterzugang: „Wir haben eine völlig unzureichende Hinrunde gespielt, das ist offenkundig. Der aktuelle Kader gibt aber deutlich mehr her als wir bis jetzt abgeliefert haben, davon sind wir alle überzeugt – die Trainer, die Spieler und auch ich. Wir haben in Anführungsstrichen auch ein paar neue Spieler im Kader. Spieler, die ihre Qualitäten früher schon nachgewiesen haben und sich nun sich neu beweisen wollen und müssen.“

. . . seine Einschätzung des Potenzials der Mannschaft: „Wir wollen nicht zu weit in der Vergangenheit kramen, aber in der vergangenen Rückrunde waren wir das zweitbeste Team mit einem nahezu identischen Kader. Natürlich hat uns in Daniel Ginczek ein wichtiger Spieler verlassen. Aber von den 14 Feldspielern, die damals die Ernte eingefahren haben, sind 13 noch da. Ich will eins klarstellen: Dieser zweite Platz damals in der Rückrunde wurde auch durch viele glückliche Faktoren beeinflusst und entsprach deshalb nicht unserem echten Leistungsvermögen. Das hat intern nicht zu Augenwischerei geführt, aber wir waren schon überzeugt, dass wir sicher die Klasse halten können. Das glauben wir immer noch. Aber nur, wenn wir deutlich zulegen, wenn wir mehr Gas geben, wenn wir eine andere Leistungsqualität zeigen als in der Hinrunde.“

. . . gestiegenen Druck auf ihn nach den großen Ausgaben im Sommer, die sich bislang nicht ausbezahlt haben: „Dieses ganze Thema und die damit verbundene Verantwortung muss man sachlich und professionell sehen. Dass du in der Bundesliga in einer gewissen Drucksituation stehst, ist normal. Was dies für mich persönlich bedeutet, ist aber völlig uninteressant. Es geht immer nur um den VfB Stuttgart und darum, gute Entscheidungen zu treffen. Bei den Sommertransfers ist bis jetzt einiges nicht so aufgegangen, wie wir uns das gewünscht haben. Wir haben da aber nichts aus dem Ärmel geschüttelt, sondern alles sportlich und wirtschaftlich ausgewogen betrachtet und entschieden. So habe ich über Jahre hinweg – ob das nun in Leverkusen war, in München oder jetzt in Stuttgart –agiert. Jeder Transfer, den man verantwortlich abwickelt, darf nicht von Stimmungslagen beeinflusst sein.“

Was Neuzugang Alexander Esswein über seinen Einstand beim VfB sagt

. . . eine mögliche Verharmlosung der ernsten Lage: „Wir können die Tabelle lesen und wissen, in welch problematischer Situation wir sind. Wir sind drei Punkte entfernt von den direkten Abstiegsplätzen nach 17 Spielen, das ist eine dramatische Situation. Wir sind uns im Klaren, dass es eine extreme Herausforderung wird, die Liga zu halten. Die Spieler und alle Verantwortlichen sehen sich in der Pflicht – eine Verharmlosung findet bei uns definitiv nicht statt, bei keinem. Das wäre fahrlässig.“

. . . die Stagnation – vor einem Jahr stand der VfB fast am genau gleichen Punkt: „Das ist ärgerlich, wir haben uns in dieser Saison mehr versprochen. Die großen Träume, die im Sommer teilweise gehegt wurden, haben wir nicht geteilt und auch versucht einzudämmen, weil wir diese als nicht so realistisch betrachtet habe. Dass wir im gesicherten Bereich zwischen Platz neun und Platz 13 spielen und uns nicht in akuter Abstiegsgefahr befinden, davon war ich schon überzeugt.“

. . . die Suche nach einen Technischen Direktor, der ihm Arbeit bei der Kaderplanung abnimmt: „Das ist eine Position, die ich selbst schon bekleidet habe – in Leverkusen an der Seite von Rudi Völler, in München an der Seite von Matthias Sammer. Die Vielzahl der sportlichen Aufgaben ist nicht von einem alleine zu lösen. Natürlich haben wir beim VfB auch jetzt schon sehr gute Leute an meiner Seite. Aber speziell bei der Kaderplanung und bei weiteren sportlich-strategischen Zielen wäre weitere Kompetenz wichtig. Du brauchst als Sportvorstand so einen starken Partner an deiner Seite, der auch hohe Marktkenntnis besitzt. Eine Toplösung, schon von Anfang an, als ich nach Stuttgart gekommen bin, hat sich leider nicht realisieren lassen. Aber es gibt auch gute Alternativen. Zeitdruck gibt es bei dieser Entscheidung aber nicht.“

. . . die Meisterschaftschancen von Borussia Dortmund mit seinem Ex-Arbeitgeber FC Bayern: „Nur soviel: die Dortmunder haben deshalb eine gute Chance, weil sie eine wahnsinnige Konstanz haben bisher. Aber auch wenn sich BVB für manche so ähnlich anhören mag wie VfB, ist das nicht mein Thema – ich beschäftige mich einzig und alleine mit unserer Situation.“