Sportdirektor des DFB Wie Rudi Völler die Stimmung bei den Fans dreht

Mit einem Lächeln geht alles besser: DFB-Sportdirektor Rudi Völler Foto: dpa/Britta Pedersen

Der 62-Jährige ist beim Verband mit einer klaren Mission angetreten. Mit Blick auf die EM 2024 im eigenen Land macht der beliebte Ex-Stürmer das auf seine ganz eigene Weise.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Rudi Völler hat einen prächtigen Ausblick. Erster Stock, breite Fensterfront. Von seinem Büro aus schaut der neue Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) auf den Trainingsplatz der Nationalmannschaft. Und was er dort sieht, gefällt dem 62-jährigen Funktionär. Trotz der grauen Wolken, die in diesen Tagen immer wieder über dem DFB-Campus in Frankfurt hängen. Denn Völler erkennt ein Team, dem er noch immer viel zutraut. Das sagt er jedenfalls – wie in einer Dauerschleife.

 

„Es ist ein Glück, diese beeindruckende Europameisterschaft hier zu haben. Das werde ich den Spielern klar vor Augen führen, wie schön es ist, so ein großes Turnier im eigenen Land zu haben. Jedes Turnier ist wichtig, aber eines im eigenen Land ist etwas Wunderbares.“ Das ist Völlers Botschaft. Sie zu verkünden seine Mission. Die EM 2024 in der Heimat – Endstation Sehnsucht.

Das Prinzip funktioniert selbst im Bundestag

Seit ein paar Wochen ist der einstige Publikumsliebling wieder im Auftrag des DFB unterwegs. Nach fast 20 Jahren, obwohl Völler sich bereits aus dem Fußballgeschäft zurückgezogen hatte. Nun steht an diesem Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in Mainz das erste Länderspiel in seiner dritten DFB-Funktion an. 90 Einsätze hat er als Nationalspieler absolviert und reckte 1990 den WM-Pokal in die Höhe, 53 Partien fungierte Völler als Teamchef und führte die Auswahl 2002 zur Vizeweltmeisterschaft.

Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt, und Völler, ganz alte Schule, spielt seinen Trumpf aus: Sympathisch und unkompliziert tritt er auf. Das machte er vor einigen Wochen im Bundestag in Berlin. In der Cafeteria standen die Politiker Schlange, um sich mit ihrem Fußballidol fotografieren zu lassen. Das Ruuuudi-Prinzip funktionierte auch bei einem öffentlichen Training der Nationalmannschaft. Völler begrüßte die Fans im Frankfurter Stadion am Brentanobad mit den Worten: „Schönen Nachmittag miteinander. Wir versuchen, alle glücklich zu machen.“ Die Ränge sind jedoch nicht voll besetzt, aber die Kinder und Eltern, die gekommen sind, werden mit Selfies und Autogrammen bestens bedient.

Kein Vergleich ist das zu den Zeiten, als die Nationalmannschaft nach dem WM-Triumph 2014 auf einer Welle der Begeisterung schwebte und 40 000 Anhänger zu einer Übungseinheiten ihrer Rio-Helden strömten. Doch seither hat die DFB-Auswahl bei keinem Turnier mehr die Erwartungen erfüllt, vor allem die eigenen nicht. Bei der WM 2018 nicht, bei der EM 2021 nicht, und bei der WM 2022 in Katar schon gar nicht. Den sportlichen Misserfolg begleitete dabei über Jahre eine Entfremdung von der Basis.

Die Nationalelf wirkte in ihrer Außendarstellung abgehoben. Projekte und Konzepte gibt es zuhauf, Fannähe dagegen kaum. Oliver Bierhoff wird das zugeschrieben. Der ehemalige Nationalmannschaftsmanager hat viel bewirkt, aber ein Volkstribun war er nie. „Wir hier unten und ihr da oben“, sagt Völler im „DFB-Journal“. Dieses Gefühl habe sich ausgebreitet – und der frühere Weltklassestürmer ist als Gegenentwurf zu Bierhoff angetreten, den Unmut zu vertreiben.

Nicht schlechter als Weltmeister Argentinien?

Wenn es sein muss, auch auf politischer Ebene. Wie im Sportausschuss, als er erklärte, warum die Nationalelf bei der Wüstenweltmeisterschaft gescheitert sei. Völlers Einschätzung lautet: „Wir sind fußballerisch nicht schlechter als der Weltmeister Argentinien. Vielleicht braucht es aber drei, vier, fünf Prozent mehr Wille, mehr Mission, mehr Gier.“ Vielleicht braucht es aber auch eine stabile Abwehr und einen effizienten Angriff – und dafür ist der Bundestrainer zuständig. „Wenn die Spieler mit Leidenschaft spielen und mit Überzeugung unsere Farben vertreten, dann geht das auf die Fans über“, sagt Hansi Flick. Er ist derjenige, den Völler mit seiner Präsenz schützen soll.

Allein gelassen fühlten sich Flick und sein Kapitän Manuel Neuer während der als zermürbend empfundenen Diskussionen über die One-Love-Binde vergangenen Herbst in Katar. „Jetzt steht wieder der Sport im Vordergrund“, sagt Völler – und Joshua Kimmich wird mit einer schwarz-rot-goldenen Spielführerbinde auflaufen. Eine Gemeinschaftsentscheidung von Völler, Flick, Kimmich und DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist das. Man darf sich jedoch sicher sein, dass der Sportdirektor unmissverständlich erklärt hat, dass die Debatten über gesellschaftliche Entwicklungen hintanstehen sollen.

Im Vordergrund steht für ihn, den verspielten Kredit beim Publikum mit Siegen zurückzugewinnen. Unabhängig davon, dass im Jahr 2023 keine Pflichtpartien für die Nationalmannschaft anstehen. Die DFB-Elf ist als Gastgeber für die EM automatisch qualifiziert, aber in der Nations League schon ausgeschieden. Testspiele also, sie sollen helfen, eine Euphorie zu entfachen. „Vorbereitungsspiele“, nennt sie Kimmich. Auch sie sollten erfolgreich sein. „Ansonsten können wir nicht erwarten, dass uns die Leute zu Hause zujubeln“, sagt der Mittelfeldspieler.

Weitere Themen