Der preisgekrönte Fotograf Matthias Hangst absolviert in Sotschi seine siebten Olympischen Spiele. Der 36-jährige Schwarzwälder ist wie immer fast rund um die Uhr im Einsatz.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Sotschi - An die Wand gelehnt hockt er mit ausgestreckten Beinen am Boden. Wenn ein Bekannter ihn passiert, hebt er zum Gruß nur leicht die Hand. Etwas zu sagen, würde zu viel Kraft kosten. Er möchte in diesem Moment nichts weiter haben als diese verdammten zehn Minuten Pause, in denen sein Körper mal zur Ruhe kommt. Er wirkt ausgepumpt, leer, kaputt. Inzwischen ist er auch schon blass um die Nase. In diesem Zustand macht man sich ein bisschen Sorgen um Matthias Hangst. Doch wer ihn kennt, weiß: Er steht gleich wieder auf – und dann geht es weiter.

 

Den Sportfotografen Matthias Hangst, 36, muss man als einen der fleißigsten Menschen dieser Winterspiele bezeichnen. Tageszeitungen und Internetportale sind vollgestopft mit bunten Bildern aus Sotschi. Doch beim Konsumieren in der warmen Stube denkt natürlich keiner daran, dass da oben am Berg die härtesten Jungs der Spiele stehen. Leute wie Matthias Hangst. Leute, an deren Objektiven Maria Höfl-Riesch im Abstand von 15 Metern vorbeifliegt in der Abfahrt. Und Leute, die mit Steigeisen, zehn Kilo schwerem Rucksack und einer Kamera um den Hals auf den Berg klettern, um die winzige Flugphase der Rennläuferin festzuhalten. Zu dokumentieren für den Zeitungsgenuss am Frühstückstisch.

Der Job ist seine Passion

Matthias Hangst klagt nicht. Der Job ist seine Passion. „Wenn man so einen Marathon bewältigt wie wir, dann muss man einen Schaden haben“, sagt er und lacht. Es sind seine siebten Olympischen Spiele. Gestern hat er es geschafft, ausnahmslos alle Disziplinen besucht zu haben. Früh am Morgen verlässt er in Sotschi sein Hotel. In einer Stunde ist der Bus in den Bergen. Die Komplettausrüstung wiegt 30 Kilogramm. Sie besteht aus drei Kameras, fünf Objektiven, einem Laptop, dem Steigeisen und einer Skihose.

Zwei bis drei Sportveranstaltungen besucht Hangst am Tag. Um von A über B nach C zu kommen, sitzt er täglich locker vier Stunden im Bus. Nachts um zwei kehrt der müde Krieger zurück ins Hotel. Bis fünf Uhr morgens bearbeitet er dort seine Bilder, archiviert sie, leert die Speicherplatte seines Computers. Das sind Dinge, die er am Tag nicht mehr schafft. Also schleppt er sich um Fünf halbtot ins Bett – und morgens geht der Wahnsinn weiter. „Ich schlafe hier täglich drei, vier Stunden“, sagt Hangst. Neulich waren es fünf, da befand er sich im Glück.

Der Tag endet oft im Fastfood-Lokal

Die olympische Tortur geht an die Substanz. Die Ernährungslage ist dürftig und abhängig von der Infrastruktur – und natürlich auch von der Qualität. „Das Essen in den Pressezentren ist das schlechteste, das ich je erlebt habe“, sagt Hangst, dem eigentlich nichts ferner liegt, als Veranstalter olympischer Spiele zu kritisieren. Doch die Ernährung bekommt Bedeutung für die gestressten Fotografen: Tagsüber können sie nicht einkaufen, in der Nacht sind die Läden zu. Das endet dann meistens mit einem hektischen Aufsuchen eines amerikanischen Fastfood-Lokals in Hotelnähe.

Tagsüber müssen ein paar Müsliriegel oft ausreichen, falls die Kraft nachlässt. Man könne in den Bergen mit dem schweren Gerät stürzen, sagt Hangst, der bei diesen Winterspielen vier Kilo abnimmt. Er wirft sich Calcium und Magnesium ein, weil er weiß, dass er sich schlecht ernährt. Diese Erfahrungen gibt der 36-Jährige an jüngere Kollegen weiter, die ihre ersten Spiele absolvieren. Doch im Lager der Fotografen macht er immer wieder die Beobachtung, dass es am zehnten Tag den einen oder anderen „reinprügelt“, wie Hangst es nennt, wenn sie krank werden.

Die großen Agenturen kommen mit 36 Mann

Matthias Hangst ist in Schramberg im Schwarzwald aufgewachsen. In Karlsruhe sehnen sich nach ihm bereits seine Frau und die zwei Jahre alte Tochter. Er ist ja so viel unterwegs. Der freie Fotograf, der bei der Agentur Baumann in Ludwigsburg volontierte und in Sotschi für die Hamburger Fotoagentur Witters im Einsatz ist, gewann 2013 die Auszeichnung „Sportfoto des Jahres“ – nur einer von vielen Preisen im Laufe seiner Karriere. Das ist der Lohn für die Mühen des Einzelkämpfers, der sich gegen die großen Fotoagenturen behaupten muss. Die schicken zum Teil 36 Mann in die Berge.

Kein Wunder, dass Matthias Hangst da müde wird. Doch die übliche Woche, die er sich nach jedem olympischen Marathon fürs Ausschlafen freihält, die ist diesmal nicht drin. Am Montag werde er im Bett bleiben, doch am Dienstag muss er wieder fotografieren. In einer Regionalbank in Schramberg spricht die ehemalige Eisschnellläuferin Anni Friesinger-Postma über Motivation. Darüber könnte auch Matthias Hangst einiges erzählen.