Doping in Freiburg – das waren für den Ex-CDU-Politiker und Sportpräsidenten Gundolf Fleischer stets nur „Einzelfälle“. Auch über die neuen Erkenntnisse zeigt er sich ahnungslos. Nun will die Paoli-Kommission ihn als Zeitzeugen hören.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Es war ein kleiner Eklat bei der Mitgliederversammlung des Olympiastützpunktes Freiburg im November vorigen Jahres. Der Vorsitzende des Trägervereines, der südbadische Sportpräsident und Ex-Staatssekretär Gundolf Fleischer (CDU), lamentierte mal wieder über die Schlagzeilen um die Aufarbeitung der Freiburger Doping-Vergangenheit: Wegen weniger Einzelfälle, klagte er nach Teilnehmerberichten, werde der ganze Standort in Verruf gebracht. Da meldete sich ein irritierter Vertreter des Landessportverbandes: Ob Fleischer ernsthaft behaupten wolle, die Doping-Praktiken hätten rein gar nichts mit den einstigen Sportärzten Joseph Keul und Armin Klümper zu tun? Der 71-Jährige verbat sich „pauschale Vorwürfe“ und verlangte konkrete Hinweise. Sein Kritiker wollte sich nicht das Wort entziehen lassen, empört verließ er die Versammlung. Später lieferten sich die beiden noch einen schriftlichen Schlagabtausch.

 

Täglich im Einsatz fürs Sport-Ehrenamt

Auf offener Bühne Widerspruch zu ernten – das ist Fleischer nicht gewohnt. Als Präsident des Badischen Sportbunds Freiburg (BSB) wurde er zuletzt ohne Gegenstimmen wiedergewählt. Zwanzig Jahre bereits führt er die südbadischen Sportler. Als ehemaliger Fußballer, der „auch von der Politik eine Ahnung hat“, wurde er einst engagiert und hat es „bis heute nicht bereut“. Im Gegenteil: Seit dem nicht ganz freiwilligen Rückzug aus der Landesregierung infolge der „Kiesaffäre“ stürzt er sich ganz auf das Ehrenamt; fast täglich sei er in der BSB-Geschäftsstelle oder bei den Verbänden und Vereinen vor Ort.

Nur als Vizepräsident des Landessportverbandes ist Fleischer nicht mehr ganz unumstritten: bei der letzten Bestätigung wurden ihm zwei Stimmen verweigert, auch aus Unmut über sein als selbstherrlich empfundenes Auftreten. So etwas trifft den Ex-Politiker, der lange als „Sonnenkönig“ vom Breisgau bezeichnet wurde. Inzwischen hat er sich mit den Abweichlern vom baden-württembergischen Golfverband ausgesprochen.

Lieber Gutedel als Klümper-Cocktail

Nun, da die Kommission der Mafia-Expertin Letizia Paoli brisante neue Hinweise zum Freiburger Doping zu Tage förderte, gerät auch Fleischer verstärkt ins Blickfeld. Ausgerechnet einer der mächtigsten Sportfunktionäre Südbadens, eng verbunden mit anderen zentralen Akteuren, sollte davon nichts mitbekommen haben? Seit dem „Telekom-Skandal“ um Doping im Radsport 2007 blieb der CDU-Mann bei seiner Linie: die Praktiken der Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich seien klar zu verurteilen, aber daraus könne kein „Generalverdacht“ abgeleitet werden. Freiburgs guter Ruf in der Sportmedizin dürfe nicht in den Schmutz gezogen werden.

Schützend stellte er sich immer wieder vor den verstorbenen Keul („Jupp war ein Freund“) und den in Südafrika lebenden Klümper. Dass das Doping in Freiburg System gehabt haben könnte, davon wollte der Ex-Staatssekretär nichts wissen. Gar von einem „Sumpf“ zu reden, sei völlig daneben. Den berüchtigten „Klümper-Cocktail“, witzelte er einmal, kenne er nur vom Hörensagen, ihm sei ein Schoppen Gutedel lieber. Legendär ist die Szene im Landtag, wo Fleischer 2007 bei einer Debatte über das Sportland Baden-Württemberg als Zwischenrufer auffiel. „So ein dummes Gerede“, „Sie haben keine Ahnung“ – fast ein Dutzend Mal zeterte er so von seinem Platz aus. Stiller wurde er erst, als ihm eine Freiburger SPD-Abgeordnete Kontra gab: „Sie wissen, wer es war, der beim Auftreten von Dopingverdachtsmomenten immer wieder geschützt hat.“

Fleischer als Zeuge der Doping-Kommission

Er habe im Zusammenhang mit Doping „nie eine ,schützende Hand’ über irgendwelche Ärzte gehalten“, betonte Fleischer auch jetzt auf StZ-Anfrage. Der derzeitige Stand der Dinge, vor allem das Ergebnis der ersten Kommission, lasse „nur den Schluss zu, dass es sich bei den Ärzten Schmid und Heinrich um Einzelfälle handelte“. Er sei stets der Auffassung gewesen, „dass . . .von kompetenter Seite geprüft werden sollte, ob dahinter ein System steckt“. Was das zweite Gremium in den Akten zu Klümper, zum VfB Stuttgart, zum SC Freiburg oder zum Radfahrerbund gefunden habe, kenne er nur aus den Medien; zu seiner Enttäuschung lägen bis heute keine offiziellen Ergebnisse vor. Die Arbeit der Paoli-Kommission könne er daher nicht bewerten, ihren Auftrag aber begrüße er. Im Übrigen, sagt Fleischer, habe er bereits vor mehr als drei Jahren „schriftlich meine Bereitschaft zur Mitarbeit angeboten“ – bis heute ohne Resonanz.

Jawohl, bestätigt Paoli, für das erbetene „Zeitzeugengespräch“ habe der Ex-Staatssekretär zugesagt. Man habe es aber zunächst zurückgestellt, um noch weiter zu recherchieren. Nur mit den richtigen Fragen, sekundiert ein Kommissionsmitglied, werde man von ihm Neues erfahren. Nun wolle man erneut auf Fleischer zugehen, kündigte die Vorsitzende an. Ihn betreffende Themen gebe es genug – zum Beispiel seine Rolle bei der Nachbesetzung des Keul-Lehrstuhls durch Professor Hans-Hermann Dickhut oder seine Verhandlungen mit Klümper um dessen Aufgabe der Sportmedizinischen Spezialambulanz.

Stöhnen an der Uni über den „Quälgeist“

Wirklich unterstützt sehen sich Paoli und ihre Kollegen durch den CDU-Mann nicht. „Mir ist keine öffentliche Stellungnahme bekannt geworden, in der er sich positiv über die Arbeit der Kommission äußert“, sagt die Vorsitzende. Im Gegenteil: nach seiner Wiederwahl als südbadischer Sportpräsident habe Fleischer das Gremium mit den Worten attackiert, es habe „nichts weiteres als das längst Bekannte zu Tage gefördert“. Wer so etwas in Unkenntnis der bisher unveröffentlichten Gutachten behaupte, mache sich „völlig unglaubwürdig“. Auch in Kreisen der Freiburger Universität galt der Ex-Staatssekretär nicht gerade als Fan der Doping-Aufarbeitung. Ihm sei es vor allem darum gegangen, hört man, dass diese schnell abgeschlossen werde. Wie ein „Quälgeist“ habe er immer wieder darauf gedrungen.

Zu Joseph Keul hat Fleischer auch einen familiären Bezug: Sein Bruder Ludger, der als Arzt in Elzach nördlich von Freiburg praktizierte, habe einst bei diesem promoviert. Thema: Auswirkungen eines zweijährigen Trainings im Schulsport auf die Herzfrequenz. Bei der Apotheke im gleichen Haus, berichtete vor wenigen Jahren der Deutschlandfunk, seien Doping-Ärzte einst Stammkunden gewesen. Reiner Zufall? Daraus einen Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion zu konstruieren, sagt Fleischer, „entbehrt jeder Grundlage“.

Nach Keul ist übrigens auch der Konferenzsaal im Freiburger Olympiastützpunkt benannt, in dem das eingangs erwähnte Wortgefecht stattfand. Ob diese Benennung noch zeitgemäß sei? Dazu gab es von Gundolf Fleischer keinen Kommentar.