Die 16-Jährige vom Bundesstützpunkt der Rhythmischen Sportgymnastik in Schmiden trainiert nach einer Auszeit wieder.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Schmiden - Viel hat nicht gefehlt und Laura Jung hätte Schluss gemacht, ein für alle Mal mit der Rhythmischen Sportgymnastik (RSG) aufgehört. So groß war die Enttäuschung bei ihr, dass nicht sie im Januar zum olympischen Testturnier mit der Olympiaqualifikation nach London reisen durfte, sondern ihre Trainingspartnerin Jana Berezko-Marggrander vom Bundesstützpunkt in Schmiden. Und das, obwohl Laura Jung bei den Weltmeisterschaften im September in Montpellier den Startplatz dafür erturnt hatte. Die 16-Jährige fühlte sich betrogen, um den Lohn ihrer Mühen gebracht. Wochenlang. In dieser Zeit trainierte sie nicht, gewann Abstand vom Sport.

 

Doch die Schmidener Cheftrainerin Galina Krilenko hat Laura Jung unlängst davon überzeugen können, das Karriereende hinauszuschieben und das Training wieder aufzunehmen. „Es gab einen Zeitpunkt, da hatte ich überhaupt keinen Bock mehr, weiterzumachen. Ich bin mit der Situation nicht klargekommen, es war heftig“, sagt Laura Jung. „Ich probiere es jetzt aber wieder.“ Sie spricht ganz bewusst von einem Versuch und schließt nicht aus, sich irgendwann umzuorientieren und der Rhythmischen Sportgymnastik doch den Rücken zu kehren – dann allerdings endgültig. „Eine vollkommene Entscheidung habe ich noch nicht getroffen“, sagt die Saarländerin, die für ihren Heimatverein TV St. Wendel antritt.

Der Schmerz war groß bei Laura Jung, dass sie nach ihrem 19. Platz bei den Weltmeisterschaften eine nationale Qualifikation gegen Jana Berezko-Marggrander um den Start in London bestreiten musste – ihre Konkurrentin schnitt bei beiden Duellen (in Udine sowie in Schmiden) besser ab und erhielt den Zuschlag: „Ich war traurig, enttäuscht, ziemlich down.“ Die in Moskau geborene Jana Berezko-Marggrander, das vielleicht größte deutsche RSG-Talent aller Zeiten, schaffte beim olympischen Testturnier die Olympiaqualifikation und erfüllte in den vergangenen Wochen auch ein nationales Zusatzkriterium für die Nominierung zu den diesjährigen Sommerspielen in Großbritannien (wir haben berichtet).

Energie tanken bei Freunden und Familie im Saarland

Laura Jung zog sich derweil zurück, war viel bei der Familie und ihren Freunden zu Hause im Saarland, genoss das Leben abseits des Leistungssports – und tankte damit Energie für den Wiedereinstieg: „Das hat mir schon viel gebracht, jetzt habe ich wieder Spaß am Training.“ Sieben Wochen vergingen, bis es dazu kam. „Frau Krilenko hat gesagt, dass es viel zu schade wäre, wenn ich aufhören würde. Jana und ich seien ein Team, wie es das noch nie gegeben habe“, sagt Laura Jung. „Das ist ja auch gut für beide – im Sport sind wir Konkurrentinnen, sonst aber super Freundinnen.“

Bis Jana Berezko-Marggrander auf der Bildfläche auftauchte (ihre Mutter heiratete einen Deutschen, den sie im Urlaub kennengelernt hatte), war die Saarländerin stets unangefochten an der Spitze und sammelte Titel. Sie ist ebenfalls eine hochbegabte Sportgymnastin, die jetzt allerdings ein Ausnahmetalent zur Rivalin hat. Mit der Rolle der Nummer zwei hinter Jana Berezko-Marggrander tut sich Laura Jung schwer – nur selten hat sie ihre Trainingspartnerin bei Wettkämpfen bezwingen können.

Die nächste Prüfung: der Realschulabschluss

Dennoch hat Laura Jung gute Aussichten, bei den übernächsten Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro dabei zu sein. Denn die Weltmeisterschaften 2015 werden in Stuttgart ausgetragen – und mit dem Heimvorteil können sich dort womöglich zwei deutsche Vertreterinnen direkt Tickets für das Großereignis in Brasilien sichern. Zudem strebt Galina Krilenko bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart eine Medaille im Teamwettbewerb an. „Das geht aber nur mit Jana und Laura – ich brauche beide“, betont sie schon seit geraumer Zeit.

Nachdem sie die schwierigste Zeit in ihrem Leben als Sportlerin gemeistert hat, steht Laura Jung schon bald die nächste Herausforderung bevor: der Abschluss an der Hermann-Hesse-Realschule Ende April und Anfang Mai. Die schwierigere Prüfung hat sie allerdings bereits in den vergangenen Monaten bewältigt, so ist der 16-Jährigen vor der schulischen Aufgabe auch nicht bange. Es gibt da allerdings eine Ausnahme mit fünf Buchstaben: „Mathe!“