Die Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch und zwei andere Hochleistungssportler aus der Region sprechen über Rassismus, unter dem sie selbst schon gelitten haben.

Stuttgart - „Der Tod von George Floyd und die damit verbundene Debatte beherrscht dieser Tage auch den Sport. Die US-Volleyballerin Krystal Rivers (Allianz MTV Stuttgart), der Basketballer Konstantin Konga (MHP Riesen Ludwigsburg) und die Stuttgarter Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch hoffen, dass ein Umdenken einsetzt.

 

Krystal Rivers (Volleyballerin):

„Was in den USA gerade passiert, das trifft mich wirklich heftig – obwohl ich ja derzeit gerade in Deutschland bin und alles nicht direkt miterlebe. Ich kann gar nicht richtig beschreiben, welche Gefühle in mir hochkommen, wenn ich die Fernsehbilder sehe, das alles beschert mir eine richtige Flut von Emotionen.

Vor allem aber sind es Wut und eine unendliche Traurigkeit, dass es dazu überhaupt kommen konnte. Aber es macht mich andererseits auch stolz und glücklich, dass es in der ganzen Welt Menschen gibt, die sich dem Rassismus mutig entgegenstellen. Ich freue mich auch sehr darüber, welche Reaktionen die Vorfälle in den USA in den sozialen Medien auslösen. Die Menschen stellen Botschaften ins Netz gegen Rassismus, die werden von vielen weiteren Menschen geteilt und so weiterverbreitet. Ich selbst bin eigentlich nur sehr selten in den sozialen Medien unterwegs, aber jetzt surfe ich häufiger im Netz und ich teile auch verschiedene Nachrichten. Aber natürlich ist es in dieser Situation auch ganz wichtig, dass die Menschen demonstrieren für das, an was sie glauben – und dass sie dafür kämpfen.

Ich selbst war hier in Europa noch nicht direkt ein Opfer von Rassismus, aber ich habe an vielen Orten schon einen latenten oder nur leise geäußerten Rassismus mitbekommen. Und ich finde, dass das zugenommen hat im Lauf der vergangenen Jahre. Als ich noch in Frankreich gespielt habe, habe ich ein anderes Volleyballspiel besucht, da haben einige Zuschauer gegen einen dunkelhäutigen Spieler Affenlaute gemacht. Rassismus findet also auch im Volleyball statt und nicht nur im Fußball. Da ist in mir eine große Wut empor gestiegen. Ich finde, gerade im Sport sollten sich die Spieler zusammentun und sich klar gegen Rassismus bekennen – und so können wir eine vielleicht Umgebung schaffen, in der rassistische Äußerungen oder Gesten keinen Platz mehr bekommen. Aber dafür müssen wir alle zusammenstehen, die Sportler wie die Verbände.“

Konstantin Konga (Basketballer):

„Ich habe vollstes Verständnis mit den Menschen, die jetzt überall auf die Straßen gehen – der Tod von George Floyd hat das Fass zum Überlaufen gebracht, denn Rassismus ist ja nicht erst seit diesem Vorfall ein Thema. Ich selbst war auch schon auf zwei Demonstrationen, darüber hinaus unterhalte ich mich viel mit Leuten darüber, was man hier in Deutschland zusätzlich machen könnte. Aktuell bin ich in Berlin, ich bin verletzt und kann nicht spielen, und ich bin auf jeden Fall bei den nächsten Demos oder Aktionen hier dabei – keine Frage.

Vergangenes Jahr wurde ich bei einem Spiel der MHP-Riesen in Weißenfels bekanntlich Opfer von rassistischen Äußerungen (Affenlaute aus dem Publikum, Anm. d. Red.), damals habe ich riesige Wut gespürt sowie ein unendliches Unverständnis. Im Sport wäre es wichtig, dass schwarze Menschen in Positionen kommen, in denen sie maßgeblich mitentscheiden können, welche Maßnahmen nach einem rassistischen Vorfall getroffen werden. Es darf doch nicht mit Entrüstung oder dem Abhalten von Workshops enden oder damit, dass man ein paar Spruchbänder in der Halle aufhängt – es muss mehr passieren. Kampagnen gibt es doch schon viele, und man sieht, was die gebracht haben. Auch die Fans sollten sich bei einem entsprechenden Vorfall diesen Leuten sichtbar entgegenstellen und so ein Zeichen setzen – das ist meiner Meinung nach das Minimum, was passieren müsste. Die gesamte Gesellschaft sollte sich viel mehr mit diesem Thema auseinandersetzen, gerade auch die Jugend in den Schulen.

Eine wichtige Sache wäre, dass jede Liga in einer Sportart einen Anti-Rassismus-Beauftragten ernennt. Daher war ich sehr enttäuscht wie die Basketball-Liga in dieser Sache agiert hat, als Geschäftsführer Stefan Holz vor dem Finalturnier erklärt hat, dass politische Statements zum Fall Floyd bei den Spielen verboten seien. Das war ein schwaches Zeichen. Immerhin gab es heftigen Widerspruch, so dass er schließlich zurückgerudert ist.“

Marie-Laurence Jungfleisch (Hochspringerin):

„Es war emotional und hart, als ich die Bilder aus den USA gesehen habe. Ich war traurig, entsetzt, wahnsinnig enttäuscht und geschockt. Ich finde es auch wichtig, dass man gegen Rassismus auf die Straße geht. Ein paar Freunde und ich waren letzten Samstag deshalb auch auf einer Demo in Stuttgart. Es muss etwas gemacht werden. Alle hoffen jetzt, dass es sich bei diesen Aktionen nicht nur um einen Trend oder eine Phase handelt, um die es in den kommenden zwei oder drei Monaten wieder komplett still wird. Wir hoffen, dass das furchtbare Ereignis in den USA den Ausschlag dafür gibt, dass sehr viel geändert wird. So darf es nicht weitergehen.

Es gibt den Rassismus ja nicht nur in Amerika, sondern in der ganzen Welt, und auch in Deutschland vernimmt man immer wieder rassistische Äußerungen. Ich selbst habe so etwas besonders als junges Mädchen zwischen neun und elf Jahren in der Schule erlebt. Das war auch deshalb hart für mich, weil man in diesem Alter ohnehin etwas unsicher ist, sich erst finden und kennenlernen muss. Dann aufgrund der Hautfarbe oder der Herkunft beschimpft zu werden, ist wirklich furchtbar und darf nicht passieren. Es gibt ja auch diese Kleinigkeiten und diesen versteckten Rassismus. Heute kann ich sagen: Ich bin total stolz auf meine Herkunft und auf das, was ich bin. Ich bin auch ein gutes Beispiel, weil ich hinter Deutschland stehe, bei der Bundeswehr bin, für dieses Land starte. Bei Olympia etwa trage ich die deutschen Farben auf der Brust. Ich lebe seit dem sechsten Lebensjahr hier und bin Deutsche. Viele Menschen haben aber nicht das Glück wie ich, so etwas wie den Sport zu haben, um ein größeres Selbstbewusstsein zu bekommen.

Was man noch tun könnte? Im Sport und in der Leichtathletik gibt es so viele Athleten, deren familiäre Wurzeln außerhalb Deutschlands liegen, die sollte man öfter nach ihren Erfahrungen fragen. Ich denke, viele wollen sich äußern, haben aber keine Plattform dafür.“