Lieber barfuß joggen? Nein, sagen drei Experten: mit technischer Hilfe läuft man besser, denn passende Schuhe schützen vor Überlastungen.  

Stuttgart - In den 70er Jahren waren die Sohlen noch hart, in den 80er Jahren waren sie zu weich und dämpften die Laufschritte mehr als nötig und gesund war. "Heute weiß man, dass die Knorpelstruktur Stöße braucht", sagt Wilfried Alt, und verwende daher mittelharte Sohlen. Doch der Stuttgarter Sportmediziner erwartet noch weitere Neuerungen auf dem Markt der Laufschuhe. Vor allem neue Materialien könnten die Schuhe noch leichter und flexibler machen - kleine Vorteile, die vor allem im Spitzensport bemerkt werden dürften. "Jedes zusätzliche Gramm verbraucht schließlich Energie", sagt Alt.

 

Nur schade, dass nicht jeder Freizeitsportler, der vielleicht in zwei Wochen am Stuttgarter-Zeitung-Lauf teilnehmen möchte, seinen eigenen Schuh bekommen kann. Sinnvoll wäre es schon, denn nicht nur die Laufstile unterscheiden sich unter den Joggern, sondern auch der Aufbau der Gelenke und die Steuerung der Muskeln. Deshalb will der Sportmediziner Alt auch keine pauschale Empfehlung dazu abgeben, ob das Laufen auf Waldboden dem Laufen auf asphaltierten Wegen vorzuziehen wäre. Ein weicher Untergrund habe zwar einen Einfluss auf den Läufer - aber ob der Einfluss positiv oder negativ sei, sei nicht von vornherein ausgemacht. Klar ist für ihn aber, dass Barfußlaufen keine Alternative ist: passende Schuhe schützen vor Überlastungen.

Alts Kollege Heiko Striegel, der Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart, hat hingegen die Möglichkeit, jedem Spieler einen individuell gefertigten Schuh zu verpassen. Und in seinem Metier ist das Verletzungsrisiko deutlich erhöht: Schließlich wird an der Leistungsgrenze trainiert, da bleibt es nicht aus, dass Sehnen, Bänder und Gelenke überstrapaziert werden. Um Verletzungen vorzubeugen, untersucht Striegel die Spieler gründlich. Er misst, ob die Muskelkraft auf beiden Körperhälften gleich ist und analysiert Filmaufnahmen des Laufstils. Bleibt die Hüfte stabil, wenn man auf einem Bein steht, und kippen die Sprunggelenke nach innen oder außen? Wenn die Anfälligkeit für Überlastungen groß ist, wird gegengesteuert. Nicht immer wird aber gleich ein neuer Schuh konstruiert, der die Defizite ausgleicht - oft genug müssen die Fußballer die schwächeren Muskeln gezielt trainieren, bis alles stimmt.

"Da ist noch einiges zu tun"

Am Donnerstag werden die Sportmediziner Wilfried Alt und Heiko Striegel in einer Diskussionsrunde erläutern, welche technischen Entwicklungen künftig das Laufen unterstützen könnten. Und sie werden Ratschläge geben, worauf beim Joggen zu achten ist, um Verletzungen zu vermeiden.

Die kostenlose Veranstaltung, zu der alle Leserinnen und Leser der StZ eingeladen sind, findet auf der MS Wissenschaft statt, die am Donnerstag in Stuttgart anlegen wird: einem umgebauten Frachtschiff, in dem eine Ausstellung zum Jahr der Wissenschaft 2011 untergebracht ist. Für dieses Wissenschaftsjahr hat das Bundesforschungsministerium das Thema Gesundheitsforschung festgelegt. In der Ausstellung können Besucher beispielsweise einen Flipper bedienen, ohne ihre Hände zu benutzen. Die Steuerungssignale werden an den Armen abgenommen - wie man es bei einer Handprothese tun würde.

Dieses Exponat stammt von Urs Schneider und seinem Team, dem dritten Experten in der Diskussionsrunde. Der Mediziner arbeitet am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, dem Kooperationspartner der StZ bei dieser Veranstaltung. Dort entwickelt er Prothesen, die es zum Beispiel beinamputierten Menschen ermöglichen, sich weitgehend normal zu bewegen. Wenn ein Diabetiker ein Bein verliere, sagt Schneider, sei er mit seiner Prothese oft gesünder als zuvor mit dem geschwächten Bein. Und mit Prothesen lässt es sich in einigen Fällen sogar sehr gut laufen. So hatte der unterschenkelamputierte Südafrikaner Oscar Pistorius für einigen Wirbel gesorgt, als er sich 2008 für die Olympischen Spiele bewarb und die nötige Qualifikationszeit für den 400-Meter-Lauf nur um 0,7 Sekunden verfehlte. "Heute sind Prothesen schon so gut, dass mancher Sorge hat, dass die Läufer zu gut werden", scherzt Schneider.

Auch wenn es darum geht, neue Laufschuhe zu entwickeln, ist die Forschung von Schneiders Arbeit an Prothesen nicht weit entfernt. "Die beiden Welten treffen sich in der Forschung wieder", sagt er, "denn es geht immer darum, sich der Biomechanik des Körpers individuell anzupassen." Und Forschung ist auch nach Ansicht von Heiko Striegel nötig: es gehe vor allem darum, die Faktoren zu ermitteln, die Sportler für Verletzungen anfällig machen. "Da ist noch einiges zu tun", sagt Striegel. Und die Erkenntnisse werden, so viel ist zu vermuten, zu besseren Schuhen führen.

Informationen zum StZ-Lauf


Einladung: „Joggen deluxe – wie Technik das Laufen unterstützen kann“ lautet der Titel einer Diskussionsrunde, zu der die StZ alle Leserinnen und Leser herzlich einlädt. Drei namhafte Experten erläutern, wie sich die Schuhtechnik weiterentwickeln wird, und geben Tipps, wie sich Verletzungen beim Laufen vermeiden lassen. Die Runde wird veranstaltet von der StZ und dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung.

Zeit und Ort: Das Gespräch beginnt am Donnerstag, 19. Mai, um 19 Uhr im Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“. Das Schiff liegt an der Anlegestelle der Neckar-Personen-Schifffahrt vor der Wilhelma in Stuttgart.

Anmeldung: Der Eintritt ist frei. Wir bitten aber um eine informelle Anmeldung unter wissenschaft@stz.zgs.de oder 0711 / 9701222.

Ausstellung: Am 19. Mai wird auch die Ausstellung „Neue Wege in der Medizin“ auf dem Schiff eröffnet. Sie ist ein Highlight des Jahres der Gesundheitsforschung, das vom Bundes-forschungsministerium ausgerufen worden ist. Gäste der Diskussionsrunde können die Ausstellung mit mehr als 30 Exponaten im Anschluss an die Veranstaltung besichtigen. Weitere Informationen zur Ausstellung