Der Mannheimer Sportprofessor Robin Kähler glaubt, dass die Schelztorhalle nicht mehr den geänderten Anforderungen an den Sport genügt.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Was ist Sport? Das Gefühl, sich zu bewegen, zu leben? Für Robin Kähler, Sportwissenschaftler und Vorstand der Vereinigung für Sport- und Freizeiteinrichtungen in Deutschland jedenfalls ist Sport mehr als packende Mannschaftsspiele. Zwei Drittel aller Menschen würden außerhalb der Vereine Sport treiben und die Sportvereine würden langfristig ihren Nachwuchs verlieren. Zum einen wegen des demografischen Wandels, zum anderen wegen der Individualisierung der Gesellschaft.

 

Große Handballhalle nicht mehr zeitgemäß

Und spätestens da kommt die Esslinger Schelztorhalle ins Spiel. Robin Kähler hatte als Architekt des Esslinger Sportentwicklungsplans den Abriss und einen zeitgemäßen Neubau empfohlen. Die Architekten des Esslinger Gestaltungsbeirats indes wollen die Halle erhalten und das Landesdenkmalamt hat sie bestätigt. Ein Beschluss, der Robin Kähler so dermaßen gegen den Strich geht, dass er extra von seiner Mannheimer Heimat nach Stuttgart gefahren ist, um unserer Zeitung seine Argumente deutlich zu machen. Für ihn ist es nicht mehr zeitgemäß, eine große Handballhalle im Herzen der Stadt zu unterhalten. Die Bewohner der Altstadt, oft ältere Menschen, wollten eher Tanzsport betreiben, Gymnastik oder ihre Rückenschule.

Vor allem aber gibt er den Architekten kontra. Für sie und für viele Esslinger gehört das geschwungene Sheddach zum Stadtbild. Bauhaus in Reinkultur, die weg von der wilhelministischen Repräsentations-Architektur weist. Ein demokratisches, ein elegantes Gebäude, urteilte der Planungsbeirat, und das Landesdenkmalamt sprach von einer herausragenden Architektur, die weit über die Stadtgrenzen hinaus wirke.

Denn Sport ist immer auch Politik, seit seinen Anfängen. Die deutsche Turnbewegung im Vormärz wurde vor allem von Demokraten und Liberalen getragen, die sich so für den Kampf gegen die Monarchie rüsteten. Aus England kam der Mannschaftssport, der Regeln wie Fairness und Sportsgeist hochhielt, mit dem sich die englischen sporttreibenden Aristokraten von den Arbeitern abheben wollten. Aus Skandinavien kam Körperkult und Gymnastik. Das alles mündete in die Sportbegeisterung der 1950er-Jahre, die im Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 kulminierte. Der Sport wurde dabei ausdrücklich von den Alliierten gefördert, um die Deutschen vom Militarismus wegzuführen.

Das Rad des Sports hat sich weiter gedreht

Doch das Rad des Sports hat sich weiter gedreht. Die Gesellschaft individualisiere sich, es könnten nicht mehr nur reine Handballhallen wie die Schelztorhalle betrieben werden, sagt Kähler, „wir brauchen keine Handballhalle, sondern eine Halle in der Handball möglich ist“. Seine Forderung: „Wir müssen weg von dem rechteckigen Klotz ohne Fenster, der dreifach abteilbar ist.“ Robin Kähler, 72, ist noch im Niemandsland der Trümmergrundstücke groß geworden: „Wir müssen den Menschen Räume geben. Mehr brauchen sie nicht.“ Sie würden sie dann selbst sportlich gestalten, da ist Kähler sicher. Am liebsten wäre ihm eine Art Sporthalle für die Bürger, in die jeder gehen kann, um sich auszutoben. Da gebe es gut funktionierende Konzepte in Dänemark, Belgien oder Holland.

Klar ist auch: Der Wandel vor Ort ist der Schwerste. Und diesem Wandel hätte eine neue Schelztorhalle Rechnung getragen. Dass sie jetzt möglicherweise mit mehr Geld umgebaut werden muss, als ein Neubau gekostet hätte, ist für ihn einfach nur Geldverschwendung. „Und wenn das Dach so toll ist, dann sollen sie es meinetwegen abbauen und wieder draufsetzen.“