Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)


Zunächst mal ist das in der Idee des modernen Sports angelegt. Es soll Sieger und Verlierer geben, und der Sieger soll belohnt werden. Diese Grundkonstellation, aus der heraus sich die Leichtathletik entwickelt hat, impliziert einen Steigerungsimperativ. Wenn man noch schneller läuft, bekommt man eine noch größere Belohnung. Das ist ein simples Prinzip und sehr gut anschlussfähig für Massenmedien. Massenmedien müssen das Spektakuläre herausfiltern, das wollen Leser, das wollen Zuschauer.

Aber es ist auch ein Teufelskreis.


Dies ist ohne Zweifel ein Dilemma. Wir werden nicht ständig Leistungen steigern können, es gibt Grenzen - und damit sind wir beim Dopingproblem. Im Steigerungsimperativ des Sports ist die Idee des Betruges angelegt: Wenn ein Athlet an seine Grenzen stößt, versucht er sie zu verschieben - das ist zumindest eine Option. In der Leichtathletik ist das Problem besonders groß. Anders als im Handball oder Fußball ist die individuelle Leistung direkt überprüfbar. Zu jeder Leistung gibt es eine Zahl, die einen Wertemaßstab darstellt. Ähnlich wie beim Schwimmen haben wir ein Diktat der Zahlen, das macht die Sportart verletzlich. Und die Zuschauer wollen immer schnellere Zeiten, sie wollen Helden, und Usain Bolt verkörpert all das.

Doch die Zweifel an Leistungen sind enorm.


Bei den Sprintern gibt es ein Kommen und Gehen. Aber Bolt ist ein Glücksfall für den Sport: die neue Meetingserie lebt von ihm, die WM nächstes Jahr wird von ihm leben - Bolt ist das Ereignis der Sportart.

Ist das nicht geradezu grotesk angesichts der Vergangenheit des Sprints, in der kaum ein Sieger nicht gedopt war?


Die Masse, auf die die Medien ausgerichtet sind, interessiert das nicht. Marion Jones hatte einst die gleiche Rolle wie Usain Bolt. Der Dopingverdacht war ständig im Raum angesichts der vielen Verfehlungen von Sprintern. Dennoch war sie das Aushängeschild der Leichtathletik, bei Medien, bei Sponsoren, bei Fans begehrt wie keine andere - dann ist sie abgestürzt. Und was ist passiert? Nichts. Ein neuer Star war da.

Als wäre nichts passiert?


Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir uns bei der Werbung für ein Event nicht auf die Zugkraft eines Topstars verlassen dürfen, dessen Strahlkraft innerhalb weniger Sekunden verbrennen kann. Aber wer die Geschichte betrachtet, muss sagen, dass es den Zuschauer offensichtlich nicht kümmert, wenn ein Star des Dopings überführt wird. Heute ist Usain Bolt der Held, wenn er wegbricht, kommt der nächste, so funktioniert die Unterhaltungsbranche, und so funktioniert auch die Sportbranche.

Eine durchaus traurige Erkenntnis.