Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)


Wir reden über das Phänomen der Masse. Die Masse hat in den Massenmedien per se recht. Sie definiert, was relevant ist, in der Regel übers Fernsehen. Und der Sport will nicht zuletzt aus finanziellen Gründen die Massen erreichen. Im Gegenzug müssen wir hinnehmen, dass dabei andere ethische Maßstäbe eine Rolle spielen, als sie uns lieb sein können. Catchen oder Ultimate Fighting zieht mehr Menschen an als ein regelgerechter olympischer Ringkampf.

Wenn man das zu Ende denkt, ist es im Grunde völlig egal, ob gedopt wird.


Für die sauberen Athleten ist dies natürlich nicht egal. Für sie ist es unverzichtbar, dass sie zumindest die Hoffnung haben dürfen, dass überführte Betrüger aus dem Verkehr gezogen werden. Wir legen aber viel zu wenig Wert auf deren Ächtung. Betrüger sind viel zu schnell wieder Teil des Systems und werden hofiert, als wäre nichts geschehen. Aber der Zuschauer will eben schöne Ereignisse erleben. Wenn er Zeuge eines Weltrekords wird, war er Teil eines angeblich historischen Sportereignisses. Wenn dies von außen mit Zweifeln begleitet wird, führt dies zu einer Entwertung des Ereignisses. Diese Art der kritischen Berichterstattung lehnen deshalb viele ab und ärgern sich über die, die alles mies machen - das ist ein großes Problem im Antidopingkampf.

Er lohnt sich demnach nicht für den Sport?


Überspitzt gesagt: ja. Die Sportarten, die den Betrug nicht thematisieren, haben in der Regel viel weniger Probleme im Umgang mit den Medien, als die Sportarten, die den Betrug aufdecken und ihn aktiv bekämpfen. Für die meisten engagierten Antidopingkämpfer hat sich ihr Einsatz meist nicht gelohnt, eine Rendite hat keiner erhalten. Der Antidopingkampf ist aber teuer und eine große Belastung. Die Aussicht auf Erfolg ist dabei sehr gering. Da fragen sich viele: soll ich zukünftig noch mehr kontrollieren und noch mehr Geld ausgeben, wenn es dafür keine Belohnung gibt? Oder sollen wir es einfach laufen lassen? Diese Frage wird immer häufiger gestellt.

Der Lohn könnte Glaubwürdigkeit und Vertrauen in den Sport sein.


Wie gesagt: im Interesse des sauberen Athleten, der die Maxime allen Handelns für uns sein muss, gibt es keine Alternative. Die Frage des Aufgebens darf sich erst gar nicht stellen. Aber wir werden nie genau wissen, wer uns betrügt und wer sauber ist. Der Dopingbetrug wird immer intelligenter. Wir müssen deshalb klügere Konzepte finden, mit denen wir den mafiösen Betrug verhindern. Dafür benötigt der Sport die Hilfe des Staates.

Ist der Antidopingkampf nur eine Beruhigungspille für die kritische Öffentlichkeit?


Das Kontrollsystem wird jährlich ausgeweitet und verfeinert. Die nationale Antidopingagentur hat dabei beachtliche Erfolge aufzuweisen. Doch gleichzeitig werden die Persönlichkeitsrechte des Athleten immer stärker beeinträchtigt. Wir müssen auch erkennen, dass das deutsche System nicht in der ganzen Welt zur Anwendung kommen kann. Angesichts der äußerst geringen globalen Kontrolldichte kann man nicht von Chancengleichheit sprechen. Mit den Kontrollaktivitäten kann sich der Sport lediglich legitimieren. Man suggeriert damit, dass man das Problem in den Griff bekommen könne. Jeder, der es ernst mit dem Antidopingkampf meint, weiß jedoch, dass man damit nicht einmal annähernd dem Problem gerecht wird.

Der Umkehrschluss wäre, dass der Antidopingkampf Ungerechtigkeit schafft?