Der SG Stuttgart-West bekommt viel Zulauf von Mädchen und jungen Frauen – und hat nun sogar eine Frauenabteilung gegründet.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

März 2022, FC Barcelona gegen Real Madrid: Barcelona gewinnt mit 5:2 und zieht ins Halbfinale der Champions League ein. Es ist kein Spiel wie jedes andere, denn bei der Partie wird ein Weltrekord aufgestellt: Nie zuvor besuchten so viele Zuschauer ein Spiel im Frauenfußball, 91 553 Fans. Ebenfalls im März 2022 verzeichnet die Uefa beim Ticketverkauf für die EM der Frauen in diesem Jahr in England eine Rekordbeteiligung: Zu dem Zeitpunkt sind schon mehr als die Hälfte der insgesamt 700 000 Tickets vergeben.

 

„Es läuft gut für den Frauenfußball in Europa“, sagt Thomas Beckmann. Das hat Strahlkraft – und wirkt sich auch positiv auf den Frauenfußball in Stuttgart aus. Zudem hat Corona den Sport zusätzlich attraktiv gemacht, weil man ihn im Freien und nicht in der Halle ausübt. Dies hatte zur Folge, dass die SG Stuttgart-West just in diesem Februar eine Frauenabteilung gegründet hat. „Seit Corona haben wir besonders im Mädchenbereich großen Zulauf, die Zahl der Spielerinnen ist von 20 auf 50 gestiegen, also um 150 Prozent“, sagt Beckmann, der die Juniorinnen bei der SG West trainiert.

Bei der SG Stuttgart-West kommt Bewegung in den Bereich Frauenfußball

Dazu gehören auch seine Tochter Martha und deren Freundin Marie Lesch. Die beiden Mädchen hatten im vergangenen Jahr eine Petition gestartet, um den VfB Stuttgart dazu zu bewegen, eine Frauenabteilung zu gründen. Mit Erfolg: Der VfB ging 2021 eine Kooperation mit dem VfB Obertürkheim ein und hat nach 127 Jahren eine Frauenfußball-Abteilung gegründet, die zur Saison 2022/23 an den Start gehen soll.

Bei der SG Stuttgart-West kommt Bewegung in den Bereich Frauenfußball

Natürlich wollen Martha und Marie, die aufgrund ihres Einsatzes sogar Gründungsmitglieder der Abteilung sind, unbedingt beim VfB spielen – doch das wird frühestens in drei Jahren möglich sein. So lange bleiben die beiden aber gerne bei der SG West, zumal dort derzeit ja gleichfalls Bewegung in den Bereich Frauenfußball kommt. „Einige unserer B-Juniorinnen, die zwischen 15 und 17 Jahre alt sind, kommen langsam in das Alter, in dem wir sie nicht mehr bei den Juniorinnen trainieren können – deshalb haben wir beschlossen, die Frauenabteilung zu gründen“, erklärt Thomas Beckmann. „Damit sind wir – wenn man Kaltental mal ausnimmt – der einzige Verein unten im Kessel, der eine Frauenabteilung hat, also der einzige richtig stadtnahe Verein.“

Bei der SG Stuttgart-West kommt Bewegung in den Bereich Frauenfußball

Als Leiterin und Trainerin konnte die SG Stuttgart-West Bianca Meier gewinnen. Sie spielt selbst seit ihrer Kindheit Fußball, erst zusammen mit dem Vater und dem Bruder, später lange in einer Mädchenmannschaft. Nach einer Verletzung musste sie jahrelang pausieren. Nun ist sie zurück – in einer anderen Funktion. „Ich musste mir schon einiges Wissen darüber aneignen, wie man ein Training aufbaut, aber da ich schon mein ganzes Leben lang Sport treibe, ist das kein Problem – und es macht mir großen Spaß, auch weil die Spielerinnen sehr engagiert sind“, sagt Meier. Derzeit ist man noch auf der Suche nach weiteren Sportlerinnen ab dem Jahrgang 2006, die mitmachen wollen. Bianca Meier: „Wir wollen den Kader noch weiter ausbauen, damit wir auch Krankheitsfälle oder Abgänge ausgleichen können. Schließlich werden wir ab der Saison 2022/23 am Spielbetrieb teilnehmen.“

Die Trainingszeiten der Frauen sind montags 19 bis 20.30 Uhr auf dem Westplatz, Vogelsangstraße 148, und mittwochs von 19 bis 20.30 Uhr beim SV Heslach, Rotenwaldstraße 373.

Frauenfußball in Stuttgart

Vereine
„Die Zahlen der Mädchen und Frauen im Fußball sind in den vergangenen Jahren stabil geblieben – mit Tendenz nach oben“, sagt Antje Micka, Mädchenreferentin im Bezirk Stuttgart beim Württembergischen Fußballverband e. V. Für diesen Trend nach oben macht sie nicht zuletzt die Arbeit ihres Verbands verantwortlich, der durch verschiedene Aktionen wie etwa den Tag des Mädchenfußballs versucht, Mädchen an den Fußball heranzuführen. „Aber auch die Vereine selbst sind sehr aktiv und gehen etwa an Schulen“, sagt Micka. Folgende Vereine Stuttgart hatten zum Beginn der Saison 21/22 eine oder mehrere Frauenmannschaften gemeldet: Sportvg Feuerbach (1), TSV Leinfelden (1), TSVgg Plattenhardt (1), TSV Heumaden (2), VfB Obertürkheim (3), SV Hoffeld (2), TSV Mühlhausen/Stuttgart (1), FSV Waldebene Stuttgart Ost (2), TSV Weilimdorf (1)

TSV Bernhausen (2, allerdings eine im Laufe der Saison zurückgezogen), VfL Kaltental (1), 1. FC Lauchhau – Lauchäcker (1), TSV Uhlbach (1), SSV Zuffenhausen (1) und

TSV Steinhaldenfeld (1).

Zugpferd VfB
„Ankerpunkt des Frauenfußballs in Stuttgart ist die neue Frauenabteilung des VfB Stuttgart, die zur Saison 2022/23 in Kooperation mit dem VfB Obertürkheim an den Start geht. Diese wird hoffentlich zu dem Zugpferd, das uns in Baden-Württemberg bisher gefehlt hat“, sagt Heiner Baumeister, Pressesprecher des Württembergischen Fußballverbands. „Es gibt so viele Nationalspielerinnen, die dieses Bundesland frühzeitig verlassen mussten, weil es hier keine Möglichkeiten mehr für sie gab.“ Allerdings kämpfen die Frauen des VfB Obertürkheim derzeit noch um den Klassenverbleib in der Regionalliga Süd.