800 Jahre lang hat uns das Komma gute Dienste geleistet. Nun befindet es sich im Siechtum. Und Schuld daran ist das Internet.

Stuttgart - Lehrern, Professoren, Journalisten - eigentlich jedem, der hin und wieder im Internet in privaten Blogs oder auf einem der sozialen Netzwerke Texte liest, ist es vermutlich aufgefallen: ein unscheinbares, aber hilfreiches Satzzeichen stirbt seinen langsamen Tod. Dem Komma droht das Verschwinden. Noch hält es sich hier und da, vor allen bei professionellen Texten, obgleich es oft schon nicht mehr nach festen Regeln, sondern nur noch nach dem Zufallsprinzip gesetzt zu werden scheint. Aber in der privaten Kommunikation, die im Internet allerdings immer auch eine öffentliche ist, haben allzu viele Autoren vor den Kommaregeln kapituliert und verzichten deshalb zur Sicherheit lieber ganz auf dieses Satzzeichen.

 

Nun sollte man in sich so rasant wandelnden Zeiten wie den unseren nicht allem hinterhertrauern, nur weil man es für ein wertvolles Kulturgut hält. Aber dem Komma sei doch ein Nachruf gegönnt. Zum einen, da es sich so viele Jahrhunderte als unscheinbarer Helfer der Textverständlichkeit verdient gemacht hat; zum anderen, weil sein Hinscheiden uns Auskunft gibt über den Wandel des Sprachempfindens und über das Selbstverständnis von Schreibenden in den Zeiten von SMS, Twitter, Facebook und, neuerdings, Google plus.

Den Text in Sinneinheiten unterteilen

Im Mittelalter kannten Autoren und Leser keine Kommas. Schlimmer noch, sie hielten es noch nicht einmal für notwendig, beim Schreiben zwischen den einzelnen Wörtern Abstand zu lassen. Wenn wir miteinander reden, sprechen wir schließlich auch nicht jedes Wort einzeln aus, sondern verbinden die Wörter zu einem Fluss an Lauten. Das macht es übrigens Kleinkindern anfangs so schwer, Sprache zu verstehen. Wer jemals mit Hilfe eines Kassettenkurses Spanisch gelernt hat und später auf richtige, munter plappernde Spanier trifft, ahnt, welche gewaltige Geistesleistung das Gehirn eines Kleinkindes vollbringt. Es muss zunächst die einzelnen Einheiten erkennen und dann mit einem Sinn verbinden.

Genau dafür sind in der geschriebenen Sprache Satzzeichen und Wortabstände da. Weil bis ins Hochmittelalter die Autoren beim Schreiben darauf verzichteten, neigten die Leser dazu, laut zu lesen, um die Sinneinheiten schneller zu erfassen. Die Mönche in den Klöstern, den einzigen Orten der Bildung im westlichen Europa abseits der Iberischen Halbinsel, sorgten an ihren Pulten murmelnd lesend für eine erhebliche Geräuschkulisse in den Bibliotheken. Mit einem Stab fuhren sie die Schrift entlang, um die Zeile nicht zu verlieren.