Die Abgeordneten in Brüssel wollen der Autobranche erheblich schärfere Ziele vorgeben.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Neuwagen in der EU sollen im Jahr 2030 im Schnitt 40 Prozent weniger Sprit verbrauchen als 2021. Zwischen 2021 und 2025 soll der Spritverbrauch, gemessen in Ausstoß von CO2, um 20 Prozent reduziert werden. Mit dieser Position zieht das Europaparlament in die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die CO2-Vorgaben für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bis zum Jahr 2030.

 

Damit will das Parlament die Ziele deutlich verschärfen, die die EU-Kommission vorgegeben hatte. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass der CO2-Ausstoß zwischen 2021 und 2030 um 30 Prozent reduziert werden soll. Als Zwischenmarke für 2025 hatte die Kommission eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um 15 Prozent vorgeschlagen. Mit einer Mehrheit von 389 Stimmen gegenüber 239 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen fordert das Parlament zudem weitere Verschärfungen: So sollen die Hersteller Geldbußen an den EU-Haushalt zahlen, wenn sie die Vorgaben nicht erreichen.

Die Autoindustrie protestiert

Mit dem Erlös sollen Arbeitnehmer in der Automobilindustrie weitergebildet und umgeschult werden, die vom Jobverlust bedroht sind. Das Parlament will zudem Quoten für Autos vorgeben, die gar keinen Sprit oder nur sehr geringe Mengen verbrauchen. 2025 sollen 20 Prozent der Neufahrzeuge weniger als 50 Gramm CO2 ausstoßen, 2030 sollen es 35 Prozent sein. Bei einem CO2-Ausstoß von 50 Gramm je gefahrenem Kilometer verbraucht ein Auto etwa 2,15 Liter Sprit pro hundert Kilometer.

Parlament und Mitgliedstaaten müssen sich nun darauf einigen, wie die CO2-Regulierung bis 2030 aussehen soll. Die Umweltminister der Mitgliedstaaten legen ihre Position am 9. Oktober fest, danach können die Verhandlungen zwischen Parlament und Umweltministern beginnen. Die Bundesregierung unterstützt dabei die Linie, die die Kommission vorgegeben hat.

Die Industrie protestiert gegen die Entscheidung des Parlaments. Der Chef des Branchenverbands VDA, Bernhard Mattes, nannte die Vorgaben „unrealistisch“. „Die Ziele werden in diesem Zeitraum nicht umsetzbar sein.“ Mattes kritisiert, dass aus Strafzahlungen der Branche Umschulungsprogramme für von Arbeitslosigkeit betroffene Mitarbeiter finanziert werden sollen. „Das EU-Parlament dokumentiert damit, dass es massenhafte Jobverluste wissentlich in Kauf nimmt.“ Schon die Ziele der Kommission hält der VDA für äußerst ambitioniert. 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß 2030 sei nur dann möglich, wenn „die Elektromobilität einschließlich Ladeinfrastruktur rasch deutlich zulegt“.

Grüne wollten noch strengere Vorgaben

Mattes kritisiert zudem, dass die gleichen Ziele für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge aufgestellt werden: Die Vorgaben seien „völlig außer Reichweite“, da die Entwicklungs- und Produktzyklen bei Nutzfahrzeugen mit zehn Jahren deutlich länger seien. Ursprünglich hatte der Umweltausschuss des Parlaments den Spritverbrauch bis 2030 sogar um 45 Prozent senken wollen. Die Kommission hat eine Folgenabschätzung vorgenommen und ist zu dem Schluss gekommen, dass bei diesem Szenario 60 000 Jobs verloren gehen würden. Im Parlament hatten vor allem Sozialdemokraten und Liberale für die jetzige Verhandlungslinie gestimmt. Grüne wollten noch strengere Vorgaben machen, Christdemokraten setzten sich für die Marke von 35 Prozent im Jahr 2030 ein.

Der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke aus dem Emsland hat vergeblich versucht, die 40-Prozent-Forderung zu verhindern. Die Marke wäre ein „Jobkiller“, wenn die beiden Co-Gesetzgeber, Parlament und Rat, sie verbindlich machen würden, warnt der Abgeordnete. Es sei nun nötig, die „Ideologie“ zu beenden. „Jetzt kommt es darauf an, dass wir in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten eine realistische Lösung finden, die Klimaschutz und Arbeitsplätze in Einklang bringt“, sagte Gieseke. Der Verkehrsexperte der SPD im Europaparlament, Ismail Ertug, sagt: „Die großen deutschen Automobilhersteller schätzen alle, dass in wenigen Jahren ein Viertel ihrer Flotte elektrifiziert sein wird – die heute verabschiedeten Ziele sind also mehr als machbar.“ Die Umweltexpertin der Grünen, Rebecca Harms, gibt sich ernüchtert: Das Parlament zeige sich nur „verhalten ehrgeizig“. Im Hinblick auf die nun anstehenden Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedstaaten warnt Harms die Bundeskanzlerin: „Angela Merkel darf sich nicht immer wieder von den Autounternehmen treiben lassen.“ Saubere Autos und Elektromobilität würden die Zukunftsmärkte bestimmen.