Die Autohersteller nutzen bei der Angabe für den Spritverbrauch jedes Schlupfloch. Der Abstand zwischen Werksangaben und echtem Verbrauch war noch nie so groß wie in diesem Jahr.

Berlin - Fahrer eines Neuwagens zahlen im Schnitt 400 Euro pro Jahr mehr für Kraftstoff als vom Hersteller angegeben. Der tatsächliche Verbrauch liege 42 Prozent über dem im Fahrzeugbrief, berichtete am Montag die Umweltorganisation ICCT. Diese Kluft sei dabei so groß wie nie: 2001 betrug sie einer ICCT-Studie zufolge nur neun Prozent. Die Organisation ICCT, die den VW-Abgasskandal aufgedeckt hatte, wertete Daten von rund 1,1 Millionen Autos aus acht europäischen Ländern aus. Sämtliche Datenquellen bestätigten, dass die Lücken zwischen dem von den Herstellern veröffentlichen Kraftstoffverbrauch und dem tatsächlich vom Kunden festgestellten Verbrauch einen neuen Höchststand erreicht habe.

 

Hersteller nutzen Schlupflöcher

Im Jahr 2015 war die Diskrepanz mit 41 Prozent aber nur geringfügig kleiner als 2016. Die Autoren der ICCT-Studie sahen erstmals Anzeichen dafür, dass sich der Anstieg verringert. „Es ist jedoch noch zu früh, um wirklich sagen zu können, ob die Lücke zwischen offiziellen und realen Verbrauchswerten kleiner wird“, erklärte Studienautor Uwe Tietge. Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub VCD erklärte: „Seit Jahren betrügen die Automobilhersteller ihre Kunden beim Spritverbrauch.“ Um die EU-weiten Grenzwerte für CO2-Emissionen möglichst kostengünstig einzuhalten, würden die Hersteller die Schlupflöcher in der Abgastestprozedur „schamlos“ ausnutzen, statt tatsächlich den Verbrauch ihrer Fahrzeuge zu reduzieren. „Die Umweltschäden durch diese Tricksereien sind enorm“, erklärte der VCD-Experte.

Verbrauch muss auf vier Liter gesenkt werden

Seit 2001 betrage die CO2-Reduktion nur ein Drittel dessen, was gesetzlich vorgeschrieben sei. Bislang gilt, dass die Hersteller den offiziellen Verbrauch ihrer Neufahrzeuge bis 2021 im Schnitt auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer oder etwa vier Liter Benzin auf 100 Kilometer reduzieren müssen. Am Mittwoch wird die EU-Kommission neue Grenzwerte für die Zeit bis 2030 vorschlagen. Der offizielle Kraftstoffverbrauch von Pkw wird unter einheitlichen Bedingungen in Testlabors ermittelt. Seit September gilt für neue Fahrzeugtypen das neue Testverfahren WLTP, ab September 2018 auch für alle neuen Pkw.

Die ICCT-Forscher erwarten, dass das neue Testverfahren die realen Fahrbedingungen genauer widerspiegelt und sich die Lücke zwischen offiziellen und realen Verbrauchswerten in etwa halbieren wird. Es gebe aber weiterhin auch Schlupflöcher. Die klimapolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, erwartete, dass die EU-Kommission das Problem der Schlupflöcher „nicht länger verleugnet und einen Vorschlag für Straßentests auch für die CO2-Messungen macht.“ Der Dieselskandal habe gezeigt, dass Grenzwerte wenig wert sind, wenn der Staat nicht überprüft, ob diese Grenzwerte auf der Straße eingehalten werden.

USA dienen als Vorbild

In einer anderen Studie verglichen die ICCT-Forscher die Situation in der EU mit anderen Weltregionen. Die USA seien dabei ein Vorbild, wie Tietge erklärte: „In den USA werden schon seit Jahren in großem Stil unabhängige Nachtests von Serienfahrzeugen durchgeführt“. Die Verbrauchswerte, welche in den USA für die Kundeninformation verwendet werden, lägen deshalb sehr nahe an den realen Alltagserfahrungen eines durchschnittlichen Fahrers.