Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erklärt ihre Aufarbeitung des in Stuttgart beispiellosen Gewaltausbruchs für „weitgehend abgeschlossen“.
Stuttgart - Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Täter doch noch vor Gericht zu sehen. Der hatte in der Stuttgarter Krawallnacht einen Polizisten mit einem Kickbox-Tritt besonders brutal attackiert, konnte aber bisher nicht ermittelt und damit zur Rechenschaft gezogen werden. Ansonsten aber seien die am späten Abend des 20. Juni 2020 und am frühen Morgen des Folgetags begangenen Straftaten in der Stuttgarter Innenstadt juristisch weitgehend abgearbeitet, wie Kalkschmid in seiner Funktion als zuständiger Hauptabteilungsleiter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft mitteilt.
93 Urteile sind ergangen
Christoph Kalkschmid nutzt die Jahrespressekonferenz der Strafverfolgungsbehörde, um eine vorläufige Bilanz zur Reaktion auf diesen eruptiven und gerade in Stuttgart unerwarteten Gewaltausbruch zu ziehen. Die dazugehörigen Zahlen lesen sich so: Insgesamt sind 141 Verfahren eingeleitet worden, von denen 98 zu einer Anklage geführt haben. 93 Urteile sind bisher ergangen. „Es ging dabei in erster Linie um Landfriedensbruch, Widerstand gegen und Angriffe auf Beamte, Diebstahl sowie Körperverletzung“, erläutert Christoph Kalkschmid, „dazu kam ein versuchtes Tötungsdelikt.“ Der Täter wurde am Ende zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, der höchsten in diesem Zusammenhang.
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„Wir sind der Reparaturbetrieb für etwas, das gesellschaftlich aus dem Ruder gelaufen ist“, beschreibt Joachim Dittrich, der Leiter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die Rolle seiner Behörde in diesem Fall. Eine generelle Ursache für die Ausschreitungen zumeist junger Männer, bei denen insgesamt 32 Polizistinnen und Polizisten verletzt worden waren, kann Christoph Kalkschmid nicht erkennen. Er verweist stattdessen auf das Zusammenspiel verschiedener Auslöser für die Eskalation, die nach einer Drogenkontrolle der Polizei am Eckensee ihren Lauf genommen hatte: „Frust nach dem Lockdown, Alkohol, Gruppendynamik oder nur Lust auf den Adrenalin-Kick.“
Enormer Ermittlungsaufwand
Die Eckensee-Verfahren, an denen sieben Stuttgarter Staatsanwälte beteiligt waren, verbucht Abteilungsleiter Kalkschmid als „Erfolg“. Diesem liege die enge Zusammenarbeit mit der Polizei zugrunde, die sehr gute Arbeit geleistet habe. Erwähnt wird die zeitintensive Sichtung des Videomaterials. Außerdem wurde mit einem sehr hohen personellen Aufwand ermittelt. So kamen auch sogenannte Super-Recogniser zum Einsatz, Beamte, die die besondere Fähigkeit besitzen, Menschen, die sie auf noch so verschwommenen Bildern gesehen haben, später wiederzuerkennen.
Das enorme Engagement der Polizei ließe sich auch damit erklären, dass sie selbst Opfer der Ausschreitungen geworden war. Dies will man bei der Staatsanwaltschaft nicht gänzlich ausschließen. Und ihr Leiter Joachim Dittrich spricht am Ende für ganz Stuttgart, wenn er sagt: „Hoffentlich erleben wir so etwas nie wieder.“