Vier ehemalige Mitarbeiter einer Stuttgarter Firma sollen mit Insiderwissen ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut haben. Jetzt droht ihnen ein Prozess wegen Industrie-Spionage in einem besonders schweren Fall.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - In einem mutmaßlichen Fall von groß angelegter Industrie-Spionage hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen die aus ihrer Sicht Hauptverantwortlichen erhoben. Sie wirft vier ehemaligen Mitarbeitern der Stuttgarter Firma König & Bauer (KBA) Metalprint vor, sie hätten sich dort in erheblichem Umfang unbefugt Fertigungspläne verschafft und diese zum Auf- und Ausbau eines Konkurrenzunternehmens benutzt. Dies werte man als Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie als unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde unserer Zeitung. Bei den Beschuldigten handele es sich um drei ehemalige Bereichsleiter von KBA-Metalprint und einen früheren Mitarbeiter im Kundendienst.

 

Die Anklage wurde laut dem Sprecher am Landgericht Stuttgart erhoben. Dies lässt Rückschlüsse darauf zu, für wie gravierend die Staatsanwaltschaft den Fall hält: Anders als beim Amtsgericht können beim Landgericht Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verhängt werden. Die angeklagten Straftaten sind nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und dem Urheberrechtsgesetz strafbar; Sie können jeweils mit Haft bis zu fünf beziehungsweise drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Ein Sprecher des Landgerichts bestätigte den Eingang der Anklage; es sei noch nicht absehbar, wann über die Eröffnung des Verfahrens entschieden werde. Grund: die zuständige Kammer sei „mit vorrangigen Haftsachen“ beschäftigt.

Strafanzeige wurde schon 2013 erstattet

Auslöser der Ermittlungen war eine Strafanzeige von KBA-Metalprint im Jahr 2013. Zuvor hatte das zur Würzburger König&Bauer-Gruppe gehörende Unternehmen festgestellt, dass eine von Ex-Mitarbeitern gegründete Firma in Pleidelsheim (Kreis Ludwigsburg) KBA-Maschinen mit Teilen nachrüste, die weitgehend den eigenen Originalteilen entsprächen; ohne unrechtmäßig beschaffte Unterlagen sei das kaum möglich. Seinen Verdacht sah das Unternehmen durch umfassende Erkenntnisse von privaten Wirtschaftsermittlern bestätigt, die es der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellte. Im Jahr 2014 kam es zu Durchsuchungen, bei denen „umfangreiche Beweismittel“ gesichert wurden.

Gegen zwei frühere KBA-Mitarbeiter sind bereits Strafbefehle der Amtsgerichte Ludwigsburg und Bad Cannstatt ergangen. Diese akzeptierten Geldstrafen von 60 beziehungsweise 90 Tagessätzen wegen des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Sie sollen Unterlagen, darunter Konstruktionszeichnungen für Maschinen oder Bauteile, an den Geschäftsführer der Pleidelsheimer Firma übermittelt haben. Ihr Motiv laut den Strafbefehlen: der eigene Nutzen oder der Nutzen Dritter oder die Absicht, „dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen“.

Will ein Großer einen Kleinen kaputt machen?

Die Beschuldigten haben derzeit Gelegenheit, sich zu den Anklagevorwürfen zu äußern. Wie stets gelten sie bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig. Als Hauptverantwortlicher gilt der Geschäftsführer der Pleidelsheimer Firma, die mit etwa 15 Mitarbeitern ungleich kleiner ist als der Marktführer KBA-Metalprint. Auf Anfrage unserer Zeitung wollte er sich zu der Anklage nicht äußern; er vertraue darauf, dass das Gericht die Sachverhalte korrekt beurteile, sagte er nur. Als die Vorwürfe im April bekannt wurden, hatte er gesagt, es gehe darum, dass „ein Großer einen Kleinen kaputt machen“ wolle. Nachdem König & Bauer eine weitere Firma aus der Blechdruckbranche übernommen habe, sei nahezu ein Monopol entstanden. KBA hatte dies zurückgewiesen: Man sei offen für „jeden fairen Wettbewerb“, akzeptiere aber nicht den Diebstahl geistigen Eigentums.

Der Pleidelsheimer Firmenchef war bis 2008 Direktor für Service und Kundendienst bei KBA-Metalprint. Kurz nach seinem Ausscheiden gründete er seine eigene Firma, die Blechdruckmaschinen wartet und umrüstet. Die Pläne für die KBA-Maschinen habe er von einem früheren Partnerunternehmen erworben, das Insolvenz anmelden musste, hatte er gesagt. Zum Nachbau habe er diese aber nicht genutzt. Bestätigt sieht sich der Geschäftsführer durch Teilerfolge in Patentrechtsverfahren; so sei ein Gutachter zu dem Schluss gekommen, es seien keine Betriebsgeheimnisse verletzt worden. Mit einer Klage am Landgericht Mannheim will er feststellen lassen, dass keine Patentverstöße vorliegen; die Entscheidung wird für Februar erwartet. KBA hatte betont, das Gutachten habe nicht dazu geführt, dass die Ermittlungen eingestellt wurden.