Der Bundeskanzler hat im Vorfeld seiner China-Reise auch kritische Fragen an das Regime angekündigt. Dennoch braucht Peking Deutschland offenbar mehr denn je.

Als Olaf Scholz am Donnerstag in seine Regierungsmaschine stieg, hatte die deutsche Öffentlichkeit den umstrittenen Peking-Besuch ihres Kanzlers bereits wochenlang kritisch debattiert. In den chinesischen Zeitungen indes war der Besuch bisher nur eine Randnotiz. Überraschend ist das nicht, denn die meisten Medien in der Volksrepublik halten sich mit Einschätzungen im Vorfeld zurück und warten die politischen Signale der Parteispitze ab.

 

Deutschland wichtigster Partner aus EU

Doch die historische Dimension der Reise steht auch in Peking außer Frage. Xi Jinping hat schließlich ganz bewusst Olaf Scholz eingeladen, um seit der Coronapandemie als erster Vertreter eines G7-Staates die chinesische Hauptstadt zu betreten. Ebenfalls wird Scholz als erstes westliches Regierungsoberhaupt wenige Wochen nach dem 20. Pekinger Parteitag eintreffen, auf dem sich Xi zu einer dritten Amtszeit krönen ließ. Dass die Staatsmedien den Besuch des Deutschen propagandistisch ausschlachten werden, gilt als sicher. Doch der Zeitpunkt von Scholz’ Delegation ist aus chinesischer Sicht auch aus anderen Aspekten entscheidend: Die Volksrepublik sieht sich derzeit aufgrund von Corona-Lockdowns und Immobilienkrise mit massiven Wirtschaftsproblemen konfrontiert. Gleichzeitig befinden sich die politischen Beziehungen mit den USA in einer bodenlosen Negativspirale, wobei der gesamte Westen zunehmend den transatlantischen Schulterschluss sucht.

Umso wichtiger ist es für Xi, Europa nicht vollständig an die USA zu verlieren. Und innerhalb des Kontinents ist Deutschland in den Augen der Chinesen der mit Abstand wichtigste Partner. Das lässt sich allein schon am bilateralen Handelsvolumen festmachen, welches 2021 stolze 245 Milliarden Euro betragen hat – das sind rund 30 Prozent des gesamten Warenaustauschs zwischen China und der Europäischen Union.

In den Staatsmedien wird Olaf Scholz daher durchaus mit einer gehörigen Portion an Vorschusslorbeeren porträtiert. Sein jetziger Besuch würde für die bilateralen Beziehungen einen „Aufschwung signalisieren“, schreibt etwa die Parteizeitung „China Daily“. Im nationalistischen Revolverblatt „Global Times“ hingegen wird gleichzeitig gewarnt: Der deutsche Kanzler müsse sich „auf pragmatische Zusammenarbeit konzentrieren, nicht auf Geopolitik“. Dann jedoch sei es „denkbar, dass der Pragmatismus deutscher Unternehmen auf dem chinesischen Markt belohnt“ werde. Scholz’ Ankündigung hingegen, dass er bei seinen Gesprächen in Peking China auch zu einer Öffnung bei Menschenrechtsfragen und Wettbewerbsgleichheit „drängen“ will, seien „vollkommen inakzeptabel“.

Merkel zwölfmal in China

Mit anderen Worten: Man wünscht sich in China ein Weiter-so der Merkel-Ära. Die Ex-Kanzlerin hatte zwar auch immer wieder kritische Punkte angesprochen, doch im Zentrum standen stets die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen. Dementsprechend ist es kein Zufall, dass keine andere europäische Regierungschefin öfter in China unterwegs war als Angela Merkel: Zwölfmal besuchte sie das Land – mehr als die Hälfte der insgesamt 22 Kanzlerbesuche der letzten 50 Jahre.

Dass nun Scholz in Merkels Fußstapfen treten könnte, dürfte sich als reines Wunschdenken der chinesischen Parteiführung herausstellen.