Noch ist Griechenland das Land mit der höchsten Staatsschuldenquote in der EU. Aber die Regierung in Athen arbeitet an einer Schuldenwende. Schon bald könnte ein anderes Land die Rolle des Schlusslichts übernehmen.

Bereits 15 lange Jahre trägt Hellas nun schon die rote Laterne. Das Land hat im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung die höchsten Schulden aller EU-Staaten. Etwa 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt die Quote aktuell. Aber Griechenland will nicht ewig Letzter bleiben.

 

Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis und sein Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Hatzidakis wollen mit einer Strategie die Schuldenquote in den nächsten Jahren aggressiv drücken.

Ein wichtiges Instrument sind vorzeitige Tilgungen. Die Regierung plant jetzt, Hilfskredite von knapp acht Milliarden Euro vor der Fälligkeit zurückzuzahlen. Es handelt sich um Darlehen aus dem ersten Griechenland-Rettungspaket, der Greek Loan Facility (GLF). Sie wurde im Mai 2010 aufgelegt.

Am Abgrund des Staatsbankrotts

Damals stand Athen am Abgrund des Staatsbankrotts. Um die Pleite abzuwenden, stellten die Euro-Partner im Rahmen bilateraler Kredite 52,9 Milliarden Euro bereit. Die Rückzahlung dieser Darlehen begann im Juli 2020 und läuft bis 2041. Drei Kreditraten in Höhe von insgesamt knapp acht Milliarden Euro, die planmäßig in den Jahren 2026 bis 2028 fällig werden, will Athen vorzeitig tilgen. Fünf Milliarden sollen bis Ende dieses Jahres zurückgezahlt werden, die restlichen drei Milliarden im Dezember 2025.

Das Geld für die Tilgungen kommt überwiegend aus Rücklagen von rund 36 Milliarden Euro, über die das Land verfügt. Bereits in den beiden vergangenen Jahren hatte Griechenland GLF-Hilfskredite vorzeitig zurückgezahlt. Das zeigte Wirkung. Kein anderer Staat der EU hat seine Schuldenquote in den vergangenen drei Jahren so schnell gesenkt wie Griechenland. Sie fiel nach Berechnungen der staatlichen Schuldenagentur PDMA seit 2020 um 47 Prozentpunkte von 207 auf 160 Prozent. Vier der fünf von der Europäischen Zentralbank anerkannten Ratingagenturen haben die Schuldenstrategie der Athener Regierung im vergangenen Jahr honoriert: Sie stuften den einstigen Pleitestaat wieder in die Liga der investitionswürdigen Schuldner herauf.

Ministerpräsident Mitsotakis sieht eine steigende Nachfrage nach griechischen Bonds und Vermögenswerten: „Der Markt glaubt an unsere langfristige Wachstumsstory, er sieht, dass diese Regierung stabil ist und langfristig weitermachen wird“, sagte der Premier kürzlich der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Rasantes Wachstum

Die griechische Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr vier Mal so schnell wie im Durchschnitt der EU. Die Bondrenditen zeigen wachsendes Vertrauen der Finanzmarktteilnehmer. Trotz der hohen Schuldenquote sind griechische Schuldpapiere am Sekundärmarkt stärker gefragt als vergleichbare Bonds des weniger hoch verschuldeten Italien.

Der Spread des zehnjährigen griechischen Bonds zur Bundesanleihe beträgt aktuell rund 108 Basispunkte. Der des italienischen Papiers liegt bei 135 Basispunkten. Das zeigt: Bond-Anleger sehen in Griechenland weniger Risiken als in Italien. Ein Grund dafür liegt in der günstigen Schuldenstruktur Griechenlands. 71 Prozent der Staatsschulden liegen bei offiziellen Gläubigern wie dem ESM. Die Zinsen sind dauerhaft niedrig, die Tilgungen erstrecken sich bis ins Jahr 2070. Mit durchschnittlich 20 Jahren hat Griechenland bei den Staatsschulden die längste Restlaufzeit in der EU. Das erleichtert die Refinanzierung.

Italien ist das Sorgenkind

Andere Länder bereiten den Ökonomen größere Sorgen. Vor allem Italien. Während Griechenlands Schuldenquote laut Prognose der EU-Kommission bis 2027 auf 142,7 Prozent fallen wird, dürfte Italiens Quote bis dahin auf 143,7 Prozent steigen. Damit würde Italien schon in drei Jahren die Rolle des am höchsten verschuldeten EU-Staates von Griechenland übernehmen.

Während sich Hellas dank starken Wirtschaftswachstums und Haushaltsdisziplin allmählich aus der Schuldenfalle befreit, ist Italien nicht das einzige neue Sorgenkind. Für das Jahr 2034 prognostiziert die EU-Kommission in ihrem Schulden-Monitor, dass vier Staaten eine höhere Staatsschuldenquote als Griechenland aufweisen werden, nämlich neben Italien auch Frankreich, Belgien und Spanien.

Aus dem Schneider ist Griechenland aber noch lange nicht. Der Weg zu den Vorgaben des Stabilitätspaktes ist noch weit. Er legt für die Staatsschuldenquote eine Obergrenze von 60 Prozent fest. Der Athener Zentralbankchef Yannis Stournaras veranschlagt, dass es noch 40 Jahre dauern wird, bis sein Land dieses Ziel erreicht.