Alle Schumann-Sinfonien, früher Beethoven und Lust auf Neues: In einer Konzertmatinee hat der Stuttgarter Generalmusikdirektor das Konzertprogramm des Staatsorchesters für die kommende Spielzeit vorgestellt.

Stuttgart - Was ist denn das? Auf der Bühne des Opernhauses, vor dem eisernen Vorhang, stehen und sitzen fünf Musiker des Staatsorchesters Stuttgart und spielen einen Satz aus einem wunderschönen Quartett in einer wunderschönen Quintett-Bearbeitung für Klarinette, Violine, Viola, Akkordeon und Kontrabass: elegisch, exotisch. Der Komponist heißt Szymon Laks, lebte von 1901 bis 1983, und man kennt ihn noch weniger als Frederic Mompou, dessen Lied „Combat del somni Nr. 1“ zuvor der Tenor Moritz Kallenbergmit großer Intensität vorgetragen hat. Kallenberg, der ab September vom Opernstudio fest ins Ensemble der Stuttgarter Staatsoper wechselt, ist eine der großen Sänger-Entdeckungen der laufenden Spielzeit, und am Flügel begleitet wird er vom Musik-Chef des Hauses höchstpersönlich, dem Generalmusikdirektor Cornelius Meister. Der macht seine Sache richtig gut, bereitet auch der Sopranistin Beate Ritter bei zwei Schubert-Liedern präzise und textsensibel klanglich wie motivisch das Feld.

 

Dabei ist das, was am Sonntagmittag im Opernhaus stattfindet, recht eigentlich kein Konzert. Sondern schlicht der Versuch einer etwas anderen Art der Spielzeitpräsentation durch jene Sparte des Staatstheaters, die sich (neben Oper, Schauspiel und Ballett) als vierte Säule des Hauses versteht. Die Sinfoniekonzerte, Kammerkonzerte, Liedkonzerte und auch die Konzerte für Kinder und Jugendliche, die das Staatsorchester in der Saison 2019/20 gestaltet, werden im Gespräch zwischen Dramaturgen (Ingo Gerlach, Barbara Eckle), dem Castingdirektor des Hauses, Boris Ignatov, der Leiterin der Jungen Oper im Nord (Join), Elena Tzavara, und der Intendantin der bei den Liedkonzerten kooperierenden Hugo-Wolf-Akademie, Cornelia Weidner, vorgestellt, und die zwischendurch gespielten Musikstücke machen nicht nur Lust auf mehr, sondern zeugen auch von der ungebrochenen Lust des Staatsorchesters an Neuem und Unbekanntem. Und da angesichts der Uhrzeit manchem der Magen knurrte, gelang es Cornelius Meister schließlich sogar spielend, dem Publikum den Rhythmus von Strawinskys Danse sacrale (aus „Le sacre du printemps“) mithilfe einer Folge von Bildern nahezubringen. Ob Strawinsky beim Komponieren an die wechselnde Kombination der Wörter Hamburger, Pizza, Schnitzelweckle und Maultaschensuppe dachte, ist zwar nicht überliefert – aber warum eigentlich nicht?

Bei den Kammerkonzerten gibt es viele frühe Werke des 2020-er Jubilars Beethoven

Die Kammerkonzerte, eine von den Orchestermusikern geliebte, weil selbst gestaltete Reihe, enthalten neben zahlreichen (Wieder-)Entdeckungen einen Beethoven-Schwerpunkt vor allem mit früheren Werken des Komponisten. Die Liedkonzerte, die 2019/20 im elften Jahr gemeinsam mit der Hugo-Wolf-Akademie veranstaltet werden, sind zu einer Reihe des Sängerensembles geworden – der Castingdirektor schwärmt von dessen Mitgliedern und vom großen Glück, als Sänger „in der wunderbaren Akustik dieses Hauses mit seiner so menschlichen Nähe zwischen Bühne und Publikum“ Rollen ausprobieren und sich bei der Entwicklung Zeit lassen zu können. Elena Tzavara stellt die Handpuppe Cora, die Koralle, vor, eine Musikvermittlerin für die 40 Kinder, die in ausgewählten Sinfoniekonzerten nach der Pause dabei sein dürfen.

Nach Gustav Mahlers vierter Sinfonie im ersten Sinfoniekonzert dirigiert der Generalmusikdirektor im zweiten Konzert alle vier Sinfonien Robert Schumanns – je zwei im Sonntags- und im Montagskonzert. Dazwischen gibt es die „Quartets for 93 Players“ von John Cage – Überraschung!

Jonathan Nott, Duncan Ward, Joana Mallwitz und Georg Fritsch werden anschließend als Gastdirigenten kommen; unter den Solisten sind Kirill Gerstein, Alina Pogostkina und das neue Ensemblemitglied Rachael Wilson (Mezzosopran, bei Ravels „Schéhérazade“-Liedern). Im letzten Sinfoniekonzert stellt Cornelius Meister schließlich ein neues Stück der kroatischen Komponistin Mirela Ivicevic vor, die in der kommenden Spielzeit „Composer in Focus“ sein wird.

Das Publikum begeistert sich. Cornelius Meister tut das ohnehin, weil Begeisterung zu seinem Charakter gehört. Nach der Veranstaltung, im Dirigentenzimmer, neben sich die Originalpartitur von Strauss‘ „Ariadne“, die er nur mit Handschuhen anfasst, betont er, bei Schumanns Sinfonien einen authentischen Klang auch ohne alte Instrumente erreichen zu wollen. Und freut sich ungemein, dass er in der nächsten Spielzeit „in allen Konzertgenres mitmachen darf“: als Dirigent bei drei Sinfoniekonzerten, als Pianist in den Kammerkonzerten wie in den Liedkonzerten – hier bei Schuberts „Schöner Müllerin“ mit Matthias Klink. Und das Stummfilmkonzert? Soll es, „obwohl wir das dauernd machen könnten“, nur alle zwei Jahre geben - „weil es wichtig ist, dass wir bei allem fragen, was unser Auftrag ist“.

Informationen zu den Konzerten unter www.staatsoper-stuttgart.de