Bei der Sitzung des Verwaltungsrats am Mittwoch haben alle Beteiligten viel Zweckoptimismus gezeigt. Aber noch ist weiterhin unklar, wann die Sanierung des Schauspielhauses beendet sein wird – und ob Armin Petras rechtzeitig starten kann.

Stuttgart - Das Ende einer Tragödie im Theater kennt jeder: Der Vorhang fällt nach dem Ableben des Helden. Schluss, aus, fertig. Im Angesicht des toten Hamlet kann das Publikum getrost nach Hause gehen. Wann nun allerdings die zähe Tragödie, die man in Stuttgart mit dem Theater erlebt, beendet sein wird, weiß immer noch niemand genau zu sagen. Vielleicht kann die Sanierung des Schauspielhauses im August abgeschlossen werden, vielleicht auch nicht. Das ist der unerfreuliche Stand der Dinge auch nach der gestrigen Sitzung des Verwaltungsrats der Staatstheater – und an dieser zweifelhaften Aussicht auf eine irgendwann mögliche Theatereröffnung ändert auch der Zweckoptimismus nichts, der auf der anschließenden Pressekonferenz zur Schau gestellt worden ist.

 

„Wir hatten eine intensive und gute Sitzung“, erklärte die Kunst- und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Sie hat derzeit den Vorsitz des Kontrollgremiums inne, das sich gestern gleich um drei große Baustellen kümmern musste. Neben dem Schauspielhaus stand noch die demnächst fällige Sanierung des Opernhauses sowie der Neubau der John-Cranko-Schule auf dem Programm – drei Themen, die den damit beschäftigten Menschen in den vergangenen Wochen und Monaten viel Kopfzerbrechen bereitet haben. Gestern nun aber: die große Zuversicht, auch in Sachen Theatersanierung. „Wir werden alles unternehmen, damit Armin Petras seine Intendanz in einem rundum funktionierenden Schauspielhaus pünktlich eröffnen kann“, versicherte Bauer. „Alle Beteiligten werden in eine enge und offene Kommunikation treten.“

Petras: Probleme gehören zum Leben

Armin Petras hat das gerne gehört. Auch er nahm als Nachfolger von Hasko Weber an der nichtöffentlichen Sitzung teil, um wie die anderen beiden Intendanten – Jossi Wieler von der Oper und Reid Anderson vom Ballett – den Spielplan der kommenden Saison vorzustellen. „Jeder weiß, dass die Lage ernst ist“, erklärte er am Rande der Sitzung gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Im Übrigen gehörten Probleme zum Leben, das sei eine ganz normale Sache: „Ich gehe fest davon aus, dass ich meine Intendanz am letzten Oktoberwochenende mit fünf Inszenierungen wie geplant eröffnen kann.“ Petras, derzeit noch Chef des Berliner Gorki-Theaters, war aus München angereist, wo er an den Kammerspielen gerade „Bauern Sterben“ von Franz Xaver Kroetz probt. Dort sei alles prima, erklärte er , die Kammerspiele seien ein erstaunlich gut laufendes Haus, ganz ohne Sanierungsstau.

Doch von der hohen Kunst der Diplomatie wieder zurück zur Kunst des Bauens: tatsächlich ist ja noch völlig ungewiss, ob der designierte Intendant rechtzeitig eröffnen kann. Und sollte er es je nicht können, wäre das ein weiterer Bauskandal, der auf das Konto des dafür verantwortlichen Finanzministeriums von Nils Schmid ginge. Mittlerweile scheint man das dort auch kapiert zu haben, weshalb der Ministerialdirigent Wolfgang Leidig gestern sehr bemüht war, Transparenz ins aktuelle Baugeschehen im Schauspielhaus zu bringen.

Warten auf die Mängelliste

Sein Haus wartet noch auf die Mängelliste, die im Theater erstellt wird: Mit Testläufen wird dort vor allem die neue Drehbühne auf Herz und Nieren geprüft. Bis jetzt seien fünfzig Prozent der Probeläufe durchgeführt, erklärte Leidig. Leichtere Mängel würden dabei noch am gleichen Tag behoben – und bis Mitte Mai solle die komplette Liste vorliegen. „Dann sehen wir weiter“, sagte der Ministerialdirigent und betonte, dass auch eine Reihe externer Sachverständiger mit der Instandsetzung der renitenten Bühnentechnik befasst sei.

Die Bemühungen des Finanzministeriums – dort ist die zuständige Baubehörde angesiedelt – werden mittlerweile auch von den Theaterleuten anerkannt. Der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks, auch er ein Fachmann in der hohen Kunst der Diplomatie, würdigte auf der Pressekonferenz indes nicht die Leistung des anwesenden Leidig, sondern diejenige des abwesenden Staatssekretärs Ingo Rust. Als Rust kurz vor Ostern die Hiobsbotschaft verkünden musste, dass die Eröffnung des Theaters abermals auf unabsehbare Zeit verschoben werde, sei ein „Paradigmenwechsel im Umgang mit der Baustelle“ eingetreten. Deshalb glaubt auch Hendriks jetzt, dass das Theater rechtzeitig zum Intendanzstart von Petras eröffnet werden kann: „Und ein Glaube ist unerschütterlich“, fügte er noch mit leisem Lächeln hinzu.

Die Arbeiten gehen ins vierte Jahr

Unerschütterlich zeigte sich auch Theresia Bauer, als es um die Frage ging, ob das Sanierungsfiasko dem Kulturstandort Stuttgart nicht geschadet habe. „Ja, wir hatten viele schlechte Schlagzeilen“, räumte die Ministerin ein, „ich will auch keine weiteren mehr lesen.“ Aber dass auf die künstlerischen Leistungen des Staatstheaters schon ein Schatten gefallen sei, glaube sie nicht: „Schauspiel, Oper und Ballett genießen national und international noch immer einen hervorragenden Ruf.“ Damit das so bleibt, werde man die Theaterbaustelle künftig mit einer anderen Intensität begleiten als zuvor.

Ursprünglich sollte diese Baustelle nach einem Jahr erledigt sein. Jetzt gehen die Arbeiten am Eckensee bereits ins vierte Jahr. Die Kosten haben sich in diesem Zeitraum von 24 Millionen Euro auf 29,5 Millionen Euro erhöht. Und auch im Theater selbst sind wegen der Bauverzögerung außerplanmäßige Kosten von 3,5 Millionen Euro angefallen.