Sam Kendricks ist der Vorspringer unter den Stabhochspringern. Sein privates Markenzeichen: der Cowboy-Hut. Nun will der Weltmeister beim 36. Indoor-Meeting in Karlsruhe die Fans begeistern.

Karlsruhe - Sam Kendricks lebt seine Träume. Als Stabhochspringer in luftigen Höhen ist der 27-jährige US-Amerikaner bereits zweimal Weltmeister geworden und träumt vom Olympiasieg im Sommer in Tokio. Als Cowboy mit Hut posiert er mit seiner Frau Leanne vor seiner Ranch in Oxford (Mississippi), wo er gerade ein neues Pferd gekauft hat. Kein Wunder: der 27-jährige Kendricks macht einen glücklichen Eindruck, er ist ein Star mit unglaublich authentischer Ausstrahlung, fast wie ein Junge von nebenan.

 

Kendricks ist hinter Bubka und Lavillenie der drittbeste Springer aller Zeiten

Im letzten Sommer hat Kendricks in Doha im vielleicht hochklassigsten WM-Wettkampf der Stabhochsprunggeschichte mit 5,97 Meter nicht nur seinen zweiten WM-Titel gewonnen, er hatte sich Monate zuvor in den USA mit 6,06 Metern hinter Legende Sergej Bubka (Ukraine, 6,14 Meter) als drittbester Springer aller Zeiten platziert. „Ich sehe Ken bei 6,10 Meter“, sagt sein Manager Jeff Hartwig über die Perspektive. Aber 6,14 Meter wie Bubka? Oder 6,16 Meter wie der Franzose Renauld Lavillenie? „Das ist zu hoch für mich“ gesteht Kendricks ehrlicherweise ein.

Nicht die Überflieger Bubka und Lavillenie bewundert Sam Kendricks, sondern drei andere Athleten. Jeff Hartwig, sein Manager und ehemaliger US-Rekordler mit Bestleistung 6,03 Meter – einen „Gentlemen mit dem Stab“ nennt er ihn. Earl Bell, Weltrekordler in den 70er Jahren, der ihn sehr inspirierte. Und Björn Otto, der deutsche Rekordhalter mit 6,01 Meter, der den Stabhochsprung nicht nur für sich betrieben, sondern viel für die Disziplin getan habe – wie es Kendricks selber auch tut.

Stabhochspringer waren die ersten mit Events in der Stadt

Der Zirkus ist in der Stadt – so heißt es immer, wenn die „Stabis“ in Hallen und Stadien einziehen. Die Männer an den Glasfiberstäben sind Artisten, ihre Arenen wechseln ständig. Die Stabhochspringer waren bereits in den 80er-Jahren die ersten, die die großen oder kleinen Stadien verlassen haben, und auf Marktplätzen, vor Kirchen, dem Brandenburger Tor oder an Seeufern ihre Sportart als Showveranstaltungen inszeniert haben. Seitdem liefern die fliegenden Männer Sport und Show ab. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir bald mal in einem Musikfestival auftreten („Woodstock, warum nicht?“), oder vor einem Fußballspiel im Stadion“, sagt Kendricks.

„Für uns sind das Risiko und die Dynamik der Reiz der Disziplin“, sagt der Weltmeister. Der Kampf in luftiger Höhe fasziniert Springer und Publikum gleichermaßen. Wenn mehrere Tausend Zuschauer an Laufsteg und Matte sitzen, springt der Funke über. Die Springer selber sind wie eine eingeschworene Clique, die sich gegenseitig pusht. „Stabhochspringen kannst du nicht allein“, sagt Kendricks, „du brauchst immer Jemanden, der dir hilft“. Kendricks ist so etwas wie der Leader, der Anführer. Er geht zu den anderen, die er als Mitstreiter, nicht als Konkurrenten, sieht. Er korrigiert, gibt Tipps, motiviert und hält so alle möglichst lange im Boot. Nur eine starke Truppe garantiert eine attraktive Zirkusnummer.

Kendricks will die Weltjahresbestleistung in Karlsruhe knacken

Mittwochabend in Cottbus: Vier Weltmeister und Medaillengewinner lassen sich von 2500 Besuchern einpeitschen. Es herrscht eine leistungsfördernde Enge. Eine Popsängerin heizt auf einer Harley Davidson mit Nebelschwaden Publikum und Stabartisten ein. Weltmeister Sam Kendricks springt als Sieger mit 5,80 Meter am dichtesten unter das Hallendach. Danach werden die Stäbe in den Flieger verfrachtet, die nächste Station ist an diesem Freitagabend die Karlsruher Messehalle beim 36. Indoor-Meeting. Auch wenn hier weitere zehn Disziplinen im Programm sind, werden die Höhenjäger im Mittelpunkt stehen. „Ich werde in Karlsruhe höher springen als in Cottbus“, sagt Sam Kendricks. Die Weltjahresbestleistung von 5,83 Meter soll fallen.

Kendricks ist stolz auf Amerika und die Nationalhymne. Wie wichtig sie ist, bewies sein Verhalten bei den Olympischen Spielen in Rio 2016. Er brach in der Qualifikation einen Sprung ab, als für seine Landsfrau Michelle Carter als Olympiasiegerin im Kugelstoßen der „Star Spangled Banner“ gespielt wurde.

Nächstes Ziel: Olympia-Gold

„Natürlich möchte ich in Tokio Olympiasieger werden“, sagt er über sein Saisonziel, „aber ehrlich gesagt ist die Konkurrenz so stark – ich wäre auch mit einer Medaille zufrieden.“ Der fliegende US-Cowboy wollte Anfang März auch zur Hallen-Weltmeisterschaften in China. Der Choronavirus hat zur Absage der Titelkämpfe geführt.

Er ist stolz, dass er schon jetzt bei allen großen internationalen Wettkämpfen, unter anderem Olympiabronze in Rio, eine Medaille gewonnen hat. Er zeigt er ein Foto, von seinem Vater, der sein Trainer ist, wie er sich zuhause in Mississippi um die Pferde kümmert, im Cowboyhut.