Eine Forscherin am Naturkundemuseum Stuttgart hat eine neue Wespe auf Streuobstwiesen entdeckt – und nach dem Ministerpräsidenten benannt. Warum das dennoch keine Antwort im Kampf gegen das Artensterben ist.

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Es ist – daran besteht kein Zweifel – eine gewisse Steigerung. 2016 lieh Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) einem neu gezüchteten Kaktus seinen Namen – nun stieg er in das Reich der Insekten auf. Eine bislang unbekannte Wespenart wurde nach ihm benannt. Am Donnerstag wurde Aphanogmus kretschmanni im Naturkundemuseum Stuttgart vorgestellt. Das Besondere: Die Wespe verfügt über sieben Stacheln am Hinterleib, was sie von bisher bekannten Arten unterscheidet.

 

Die Wespe ist nicht klassisch schwarz-gelb, sondern in unauffälligem Schwarz-Braun gefärbt. Gefunden wurde das nur einen Millimeter große Insekt auf Streuobstwiesen zunächst in Tübingen, später in anderen Teilen Baden-Württembergs. In dem Ökosystem also, für dessen Schutz sich Winfried Kretschmann selbst seit Jahren starkmacht.

Die von Obstbäumen bewachsenen Wiesen gelten als besonders artenreich und waren deshalb auch schon Ziel zahlreicher Bestimmungen. Dennoch überraschend war der Fund in Tübingen. „Diese Wespengruppe ist unglaublich schlecht erforscht“, erklärt Entdeckerin Marina Moser. „Da hat noch keiner richtig hingeguckt.“ Der Doktorandin war der Zufallsfund in die Falle gegangen. Sie schickte Bilder an einen der weltweit zwei Experten für die Wespengattung in die USA, und der bestätigte die Neuentdeckung.

Gemeinsam mit ihren Kollegen von dem Naturkundemuseum Stuttgart und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat sie die Wespe beschrieben und analysiert. Am KIT etwa wurden Mikro-CT-Aufnahmen von der Mini-Wespe gemacht. Mit deren Hilfe wurde ein Modell gefertigt, das Kretschmann feierlich übergeben wurde.

Wichtig für den Naturschutz

Kretschmann wies in seinem Vortrag auf die Bedeutung der Wespe hin, die Eier in anderen Insekten ablegt und damit das Ökosystem im Gleichgewicht hält. Aphanogmus kretschmanni sei „massiv wichtig“ für den Naturschutz, betonte Marina Moser. Die Strukturen ihrer Stacheln am Hinterteil seien außergewöhnlich und möglicherweise für die Bionik – also die Kopie biologischer Strukturen in der Technik – interessant.

Die Wahl war auf Kretschmann als Namensgeber wegen seines Engagements für den Artenschutz gefallen. Das Land setzt sich im Rahmen der Initiative „Integrative Taxonomie“ dafür ein, dass weiße Flecken auf der Landkarte geschlossen werden. „Denn wir können die Artenvielfalt nur bewahren, wenn wir überhaupt wissen, welche Arten wir haben“, betonte der Ministerpräsident. Er sei überwältigt, sagte Kretschmann und bezeichnete die Benennung als „schönste Anerkennung meines politischen Wirkens“.

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wünschte dem Winzling, dass er nicht dem Artensterben zum Opfer falle. „Wollen wir hoffen, dass die Kretschmann-Wespe dieses Schicksal nicht auch ereilt.“

Die Frage, die bleibt: Auf welcher Evolutionsstufe rangiert die nächste Art, die nach Kretschmann benannt wird? Ein kleines Säugetier – eine Art Igel etwa? Gemeinsam wären allen die Stacheln. Und mit den Eigenschaften des Nützlings, dem in der Fabel wenigstens eine gewisse Schläue nachgesagt wird, dürfte der Ministerpräsident kaum ein Problem haben.