Bargeld gibt es in der JVA Heimsheim nicht. Erst zur Entlassung bekommen die Männer ihr Erspartes ausbezahlt.

Serie - In unserer Serie „Stadt hinter Mauern“ werfen wir einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Heimsheim und stellen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Abteilungen einmal genauer vor. Mitarbeiter berichten von ihren Aufgaben und ihren Erfahrungen und von den Herausforderungen des Gefängnisalltags. Heute: Vollzugliches Versorgungsmanagement und Vollzugsgeschäftsstelle.

 

Immer, wenn’s ums Geld geht, ist Sibylle Kaufmann gefragt. Sie ist die Leiterin des vollzuglichen Versorgungsmanagements in der JVA Heimsheim. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich die Wirtschaftsverwaltung der Anstalt. Der komplette Haushalt – mit Ausnahme der Werkbetriebe – wird hierüber abgewickelt. Dazu gehören immer wiederkehrende Ausgaben genauso wie einmalige Anschaffungen. Braucht die Küche einen neuen Bräter oder das Krankenrevier einen neuen Zahnarztstuhl, landen die Anträge auf Sibylle Kaufmanns Schreibtisch. „Oft geht es aber nicht nur um die Frage, wie viel etwas kostet“, erklärt sie. „Die Sachen müssen auch unseren Sicherheits- und Hygienebestimmungen entsprechen.“ So kann selbst der Kauf neuer Rasierapparate zu einer ganz eigenen Herausforderung werden.

Neben weiteren Aufgaben wie Datenschutz und Arbeitssicherheit ist im vollzuglichen Versorgungsmanagement außerdem die Zahlstelle angesiedelt. Jeder Geldfluss der Gefangenen innerhalb der JVA wird hierüber abgewickelt. Die Zahlstelle ist quasi die Bank des Gefängnisses.

Niemand bekommt seinen Lohn aus den Betrieben oder anderen Arbeitsstellen direkt ausbezahlt. Ein Teil des Geldes wird immer automatisch für den Gefangenen angespart, über den anderen Teil kann er im Gefängnis frei verfügen. Doch auch das läuft digital, Bargeld gibt es in der JVA nicht. „Der Lohn wird gesiebtelt“, erklärt Reiner Braun von der Zahlstelle. Vier Siebtel gehen immer aufs Konto. Die anderen drei Siebtel kann der Gefangene für Dinge des Alltags wie die Fernsehmiete, Zigaretten oder besonderes Essen ausgeben, das er in der Anstalt sonst nicht bekommt. „Manche überweisen das Geld auch an ihre Familie oder sparen es selbst. Wir hatten auch schon welche, die einen Teil ihres Lohns zum Beispiel an Erdbebenopfer gespendet haben.“

Der Weg zur „Bank“ ist für einen Gefangenen der letzte Akt, bevor er aus der Haft entlassen wird. Hier bekommt er sein Erspartes ausbezahlt. „Wir sind die Letzten, die ihn sehen und nach draußen begleiten“, berichtet Braun. Abhängig von der Haftdauer und davon, ob ein Gefangener arbeiten gehen konnte, kann die Summe des Ersparten am Ende höchst unterschiedlich sein. „Der eine geht mit ein paar Tausendern nach Hause, der andere mit 5,90 Euro für den Bus“, erzählt Braun. Wie an einem Bankschalter steht der Mann dann hinter der Scheibe und bekommt sein Geld oder Teile davon ausbezahlt. „Es gibt allerdings einen Höchstsatz. Mit 10 000 Euro in bar schicken wir niemanden hier raus. Da schaut man, dass das Geld vorher schon überwiesen wird.“

Hier, so kurz vor dem Verlassen der Anstalt, zeigt sich dann schon sehr deutlich, wie anders die Welt außerhalb der Gefängnismauern nach 15, 20 oder mehr Jahren hinter Gittern für einen Menschen aussehen kann, weiß Braun. Nämlich dann, wenn jemand plötzlich ganz erstaunt über die „neuen“ Geldscheine ist.

Im „Einwohnermeldeamt“ bekommt jeder eine Akte

„Wir sind quasi das Einwohnermeldeamt der JVA.“ Die Beschreibung von Petra Hotel-Leibfritz für die Vollzugsgeschäftsstelle im Gefängnis Heimsheim ist ziemlich anschaulich. Die Regierungshauptsekretärin und ihr Team sind zuständig für die Akten sämtlicher Gefangenen – egal, ob sie für längere Zeit hier sind oder gleich nach wenigen Tagen in eine andere Anstalt verlegt werden. „Wenn jemand neu hier ankommt, gehen wir rüber in die ,Kammer‘, machen ein Foto von dem Gefangenen und legen seine Akte an“, erklärt Petra Hotel-Leibfritz. So läuft es zumindest ab, wenn die Männer von selbst hierherkommen oder von der Polizei gebracht werden. Kommen die Männer mit den großen Gefängnisbussen nach Heimsheim, wird dieses Prozedere meist von den Mitarbeitern der Kammer erledigt. Die Geschäftsstelle bekommt die nötigen Informationen dann nur noch in schriftlicher Form.

In der Akte sind eine Personenbeschreibung – auch Besonderheiten wie Tattoos – festgehalten, die Vollstreckungsunterlagen, die Ergebnisse der anstaltsärztlichen Untersuchung und gegebenenfalls Hinweise zu besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Alles noch klassisch in Papierform. „Manche Anstalten fotografieren auch die Tattoos ab, das machen wir hier aber nicht.“ Auch die Entlassungen gehen über die Schreibtische der Vollzugsgeschäftsstelle. „Nach der Entlassung bleibt die Akte eines Gefangenen noch zehn Jahre hier zur Aufbewahrung. Danach wird entschieden: Kann sie vernichtet werden oder bleibt sie im Archiv?“

Die Vollzugsgeschäftsstelle steht auch immer in Kontakt mit anderen Behörden wie der Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörden – und natürlich mit der Stadtverwaltung Heimsheim. Denn jeder neue „Bewohner“ der JVA, der länger als nur ein paar Tage hier bleibt, bedeutet zugleich einen neuen Einwohner für die Stadt Heimsheim. Damit zählen die Gefangenen nicht nur zur Einwohnerstatistik der Stadt hinzu, sie sind auch Bürger mit einem Wahlrecht. Ausnahmen sind allein verurteilte Mörder, die für eine gewisse Zeit ihr Wahlrecht verwirkt haben. Gefangene wählen grundsätzlich per Briefwahl, ihre Stimmen werden ganz normal im Rathaus Heimsheim ausgezählt.