Laut Tiefbauamt ist die Teilsperrung jedoch alternativlos. Langfristig muss das mehr als 90 Jahre alte Bauwerk abgerissen und neu gebaut werden.

Es war eine Routinekontrolle im Herbst 2021 mit einem niederschmetterndem Ergebnis für das Tiefbauamt: Die Löwentorbrücke in Stuttgart-Nord ist marode. Laut den Experten hat vor allem der Jahrzehnte lange Einsatz von Streusalz der Stahlbetonkonstruktion zugesetzt und im Inneren das Eisen rosten lassen. Das Bauwerk, das auf der Heilbronner Straße liegt und täglich von rund 80 000 Fahrzeugen und etwa 600 Stadtbahnen überquert wird, muss abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.

 

Keine Einsturzgefahr

Da jedoch laut Tiefbauamts-Chef Jürgen Mutz keine Einsturzgefahr besteht, musste die Stadt nicht „über Nacht“ eine neue Brücke aus dem Boden stampfen, sondern konnte in aller Ruhe, intensiv und längerfristig planen. Als Vorsichtsmaßnahme wurde dennoch in einem ersten Schritt ein Tempolimit für Autos, Lastwagen und Stadtbahnen auf der Löwentorbrücke eingeführt. Betroffen sind die Linien U 6, U 7 und U 15, die auf der Brücke über die Gleisanlagen der Deutschen Bahn ebenfalls nur noch mit Tempo 30 unterwegs sein dürfen.

Komplett neuer Straßenbelag

In einem zweiten Schritt soll jetzt ein Maßnahmenbündel solange für weitere Sicherheit und Stabilität der Brücke sorgen, bis die neue fertig ist. „Wir wollen Ende Mai loslegen“, sagt Jürgen Mutz. Neben einer umfangreichen Instandsetzung des Betons und der Entwässerung wird auch der komplette Straßenbelag der vier Spuren erneuert. Die gute Nachricht: „Wir können auf eine temporäre Vollsperrung der Straße verzichten“, sagt Jürgen Mutz. Die schlechte: Obwohl die Sanierungsmaßnahmen ohne Verkehrsunterbrechungen erledigt werden können, muss der Autofahrer mit Staus auch außerhalb der Stoßzeiten rechnen. „Voraussichtlich 25 Wochen lang steht in beiden Richtungen nur eine Spur zur Verfügung“, so Mutz.

Viele Staus im Stuttgarter Norden

Doch Stop-and-go wird bis in den Spätherbst hinein nicht nur auf der Heilbronner Straße herrschen. Im Stuttgarter Norden wird befürchtet, dass viele Autofahrer auf den Alternativrouten über den Killesberg oder die Nordbahnhofstraße ihr Glück versuchen. Jürgen Mutz will jedoch nicht den Teufel an die Wand malen und von einem monatelangen Verkehrschaos sprechen: „Die großen Staus spielen sich in der Regel an den Verkehrsknoten ab.“ Zudem sei die einspurige Lösung mangels Platz „alternativlos“. Die Fußgänger werden während der Sanierung über den Brünner Steg umgeleitet. Die Stadtbahnen sind von dem Sanierungsprojekt, das insgesamt 2,2 Millionen Euro kosten wird, nicht tangiert.

Neubau wird intensiv geplant

Und wie geht es dann weiter? Eine viel befahrene Brücke durch einen Neubau zu ersetzen, das schüttelt man nicht aus dem Ärmel. Zum einen muss die Stadt über Bahngelände bauen und den Stadtbahnbetrieb beachten. Erschwerend hinzu kommt dann noch die dichte Bebauung im Umfeld der Löwentorbrücke. Und um das komplette Verkehrschaos im Stuttgarter Norden zu vermeiden, müssen die Planer eine Vollsperrung unter allen Umständen verhindern. Wie das im Fall der Löwentorbrücke funktionieren könnte, hat Jürgen Mutz schon einmal anhand zweier Varianten gegenüber unserer Zeitung erklärt. Die erste arbeitet mit einer vorübergehenden Brücke als Ausweichroute. Fahren dort die Autos, könnte der eigentliche Brückenneubau angegangen werden. Bei der zweiten Variante baut die Stadt eine neue Brücke neben der alten und schiebt den Neubau nach Abriss der bestehenden Brücke als Ganzes in die endgültige Position. Erste Kostenschätzungen für die neue Löwentorbrücke liegen bei 80 Millionen Euro.

Brücken in Stuttgart

Die Löwentorbrücke
Sie wurde von 1922 bis 1928 von der Deutschen Bahn gebaut und 1961 durch die Stadt auf ihren heutigen Querschnitt erweitert. Das Bauwerk ist 67 Meter lang und 27 Meter breit.

Zahl der Brücken
Insgesamt 309 Brückenbauwerke werden vom Tiefbauamt betreut. Rund die Hälfte davon ist mittlerweile zwischen 50 und 70 Jahre alt.

Problembauwerke
In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Brücken mit einem kritischen Zustand um 17 zugenommen. Bei fünf sind sofortige Maßnahmen notwendig. Dazu zählt seit 2022 auch die Rosensteinbrücke, deren Neubau mit rund 44 Millionen Euro veranschlagt wurde. Ebenfalls auf der Neubau-Agenda stehen die Aubrücke in Münster und der Fauststeg in Vaihingen.

Personalnot
Beim Tiefbauamt sind gerade einmal vier Mitarbeiter in der Abteilung „Bauwerksprüfung und Bauwerksinstandsetzung“ tätig. Mit den Brücken müssen insgesamt rund 700 Bauwerke, darunter auch die 16 Straßentunnel, 70 Stadtbahnbrücken und -tunnels sowie 127 Straßenbrücken und 182 Fußgänger- und Radwegbrücken, turnusmäßig kontrolliert werden.