Der Burgfrieden ist de facto aufgekündigt: Der Kreistag treibt die Stadtbahn voran und ist sichtlich genervt von den Querschüssen aus dem Rathaus in Ludwigsburg. Erstmals werden die Kosten bekannt.

Ludwigsburg - Das Kreisparlament ist selten ein Ort, in dem verbal ausgeteilt wird. Doch in der Debatte um die Zukunft der Stadtbahn im Verkehrsausschuss fallen blumige Vergleiche. Da ist von zwei Köchen die Rede, die sich in die Suppe spucken, von zwei Motoren, die gegeneinander laufen. Gemeint sind der Landrat Rainer Haas und der Ludwigsburger OB Werner Spec. Beide sollten eigentlich an einem Strang ziehen in Sachen Stadtbahn.

 

Doch von dem 2017 gefundenen Kompromiss, wonach Haas eine Niederflurbahn von Remseck bis nach Markgröningen plant und Spec ein paralleles System von Schnellbussen und Brennstoffzellen-Zügen nach Markgröningen, ist praktisch nichts mehr übrig geblieben. Formal besteht die so genannte Doppelstrategie noch – de facto wurde sie im Kreistag zu Grabe getragen. „Wir beantragen, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden“, sagt kein Geringerer als Hans Schmid für die CDU-Fraktion – der früher selbst Baubürgermeister der Stadt Ludwigsburg war.

Kosten von 250 Millionen Euro sind im Spiel

Der ehemalige Möglinger Bürgermeister Eberhard Weigele (Freie Wähler) drückt es so aus: „Wir kommen mit dem Kompromiss nicht weiter.“ Denn beides gehe wohl nicht: Eine Stadtbahn mit eigenem Netz und Betriebshof und Schnellbusse. Das zeigen auch die Zahlen, die noch nicht öffentlich, aber in Ludwigsburger Stadtratskreisen kein Geheimnis mehr sind: So sollen für die Stadtbahn 215 Millionen Euro veranschlagt werden, wovon ein Teil das Land und der Bund bezahlen.

Die Schnellbusse mit dem Namen BRT (Bus Rapid Transit) sollen demnach 62 Millionen Euro kosten und der Brennstoffzellenzug nach Markgröningen 52 Millionen Euro, mindestens.

Nicht nur im Kreistag wird deutlich, dass niemand bereit ist, diese Summen für beide Systeme zu bezahlen. Ernst Morlock sagt etwa: „Irgendwann wird man sich entscheiden müssen.“ Auch die Landesregierung habe erklärt, so der SPD-Kreisrat, dass es keinesfalls Zuschüsse für Schnellbusse und eine Stadtbahn gebe. Zumal wenn die BRT-Busse keine eigenen Spuren hätten und wie die Autos im Stau ständen.

Die Kreisräte zeigen sich sichtlich genervt von Äußerungen des Ludwigsburger Oberbürgermeisters Spec, die Schnellbusse könnten die Stadtbahn überflüssig machen. „Wieso toleriert ihr diese Störfeuer?“, fragte der Linken-Kreisrat Peter Schimke den Ludwigsburger CDU-Mann Hans Schmid. Auch Landrat Rainer Haas redete sich in Rage, so dass sich die Farbe seines Gesichts langsam derjenigen der Ziegelwand hinter ihm annäherte. Zwar verteidigte er mit matten Worten noch den Kompromiss der Doppelstrategie, doch Spec’ Euphorie für Schnellbusse kann er nicht teilen: „Das sind doch nur Ideen, wir haben längst fertige und überprüfte Konzepte.“ Und diese Ideen müssten „mit Verlaub“ auch mit ihm mal besprochen werden, schimpfte er weiter. Um dann mit einem für ihn typischen Bonmot die Debatte zu krönen: „Wir spucken niemandem in die Suppe, aber wir lassen uns nicht vom Kurs abbringen.“

Haas: Schnellbusse und Wasserstofzüge sind „nur Ideen“

Übersetzt heißt das: Im Ludwigsburger Rathaus kann man gerne Luftschlösser bauen, im Landratsamt wird die Stadtbahn konkret aufs Gleis gesetzt. Ein Zweckverband soll gegründet werden, der Antrag beim Verkehrsministerium ist längst eingereicht, noch vor der Sommerpause soll es grünes Licht für die Planung geben. Diesen Kurs hat der Verkehrsausschuss des Kreistages bei nur einer Enthaltung des Ludwigsburger CDU-Kreisrates Maik Stefan Braumann durchgewinkt.

Verstreicht die historische Chance?

Die große Sorge, dass die historische Chance verloren gehen könnte, ist im Kreistag mit Händen zu greifen. Eberhard Weigele (Freie Wähler) formuliert es so: „Ich will nicht, dass wir in 20 Jahren hier sitzen und darüber reden, was man hätte tun können.“ Zuschüsse aus Berlin und Stuttgart gibt es wohl nur jetzt – das betont auch Haas: „Alle anderen Ideen, die später beantragt werden, können vielleicht 2030 verwirklicht werden. Oder auch nicht.“