Es seien eher die kleinen Entdeckungen, die seine Arbeit im Ditzinger Stadtarchiv spannend machen, sagt dessen Leiter Florian Hoffmann. Beim „Tag des Archivs“ an diesem Samstag berichtet der Hüter der Ortsgeschichte den Besuchern auch davon.

Ditzingen - Ein Blick hinter die Kulissen: Am Wochenende öffnen die Archive in ganz Deutschland ihre Türen. Auch das Archiv in Ditzingen-Hirschlanden beteiligt sich am „Tag der Archive“ (Samstag, 7. März, 14 bis 17 Uhr). Im Interview sagt der Leiter Florian Hoffmann, was man aus Ditzingens Geschichte lernen kann und warum man ihn besuchen sollte.

 

Herr Hoffmann, warum brauchen Kommunen und ihre Bürger Stadtarchive?

Wichtigste Aufgabe des Archivs ist die Rechtssicherung: Stadt und Bürger müssen die Garantie haben, dass Verwaltungshandeln transparent und langfristig nachvollziehbar ist und Dokumente mit gerichtlicher Beweiskraft dauerhaft gesichert werden. Es gibt zum Beispiel im Baurecht Bereiche, in denen wir auf Akten und Amtsbücher bis weit ins 19. Jahrhundert zurückgreifen, um noch heute gültige Sachverhalte nachzuweisen. Daneben kümmern wir uns natürlich um die Dokumentation und Erforschung der Stadtgeschichte und versuchen dabei, nicht nur die Verwaltungsperspektive, sondern alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen.

Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben?

Die Tätigkeit im Archiv lässt sich mit den Stichworten Bewertung von Schriftgut, Erschließung – die Aufnahme von Akten in eine Datenbank – Bestandserhaltung und Forschung umschreiben. Wichtig ist mir nicht nur die Konservierung der Stadtgeschichte, sondern auch ihre Vermittlung in Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen, in Vorträgen und Führungen oder – für ein breiteres Publikum – über Facebook und Instagram. Vor allem unser Instagram-Account wird gut angenommen. Über das rein Archivfachliche hinaus liegt mir an einer Sensibilisierung für den Wert des stadtgeschichtlichen Erbes, mit dem in Ditzingen in der Vergangenheit nicht immer sehr verantwortungsvoll umgegangen wurde. Geschichte kann auch für eine im verwaltungsrechtlichen Sinn eher junge Stadt wie Ditzingen ein wichtiger Identifikationsfaktor sein.

Was war Ihr bislang größtes Aha-Erlebnis?

Von Superlativen möchte ich da nicht sprechen. Es sind eher die kleinen Entdeckungen, die die Arbeit in Ditzingen spannend machen, etwa bisher wenig beachtete Persönlichkeiten wie der Marburger Mediziner und Hochschullehrer Wilhelm Roser, der – obwohl er nie dort lebte – Gemeindebürger von Hirschlanden war, oder der württembergische Gesandte Ludwig von Janowitz, einer der Besitzer des Ditzinger Schlosses. Auch wenn schon vieles publiziert ist, lässt sich im Archiv noch mancher Schatz heben.

Was kann man aus der Geschichte Ditzingens lernen?

Ditzingen bildet im Kleinen die große Geschichte ab. Viele historische Ereignisse spiegeln sich auch in den Akten der Stadt wider. Mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums beschäftigen wir uns zur Zeit beispielsweise mit den Krankenmorden im Rahmen des NS-„Euthanasie“-Programms; drei Fälle aus Ditzingen und Heimerdingen sind bislang bekannt. Hier rückt die sonst ferne Weltgeschichte in die unmittelbare Nachbarschaft, wird greifbar und kann in Beziehung zum eigenen Umfeld gesetzt werden.

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Sie betreuen im Arbeitsalltag auch die Archivbenutzer und beantworten Fragen.

Wir haben Nutzer mit unterschiedlichsten Interessen: Schüler und Studenten mit Recherchen für Haus- und Examensarbeiten, alteingesessene Ditzinger, die sich mit ihrer Familiengeschichte beschäftigen. Aber eben auch Menschen, die aus beruflichen oder privaten Gründen Informationen zu abgeschlossenen und archivierten Verwaltungsvorgängen benötigen.

Warum ist das Archiv einen Besuch wert?

Willkommen ist zum Beispiel jeder, der sich für historische Stadtansichten interessiert. Wir zeigen Luftbildaufnahmen des Fotografen Erich Tschöpe, von denen die meisten bisher nicht öffentlich zu sehen waren. Darüber hinaus soll der Tag den Besuchern einen niedrigschwelligen Zugang zum Archiv bieten: Für Menschen, die sich einfach für die Stadtgeschichte interessieren, ohne ein bestimmtes Anliegen zu haben; oder solche, die mit konkreten Fragen einmal unverbindlich vorbeischauen und sich über Forschungsmöglichkeiten informieren möchten.

Der Stadtarchivar

Im Hörsaal Florian Hoffmann ist 1975 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Von 1995 bis 2001 studierte er Mittlere und Neuere Geschichte, Historische Hilfswissenschaften und Klassische Archäologie in Heidelberg und Gießen. Nach dem Magisterexamen promovierte er an der Universität Münster/Westfalen zum Dr. phil. Von 2007 bis 2011 absolvierte er ein postgraduales Studium der Archivwissenschaften an der Fachhochschule Potsdam mit dem Abschluss als Diplom-Archivar (FH).

Im Archiv 2007 bis 2016 arbeitete Hoffmann als Archivar und zuletzt wissenschaftlicher Mitarbeiter für ein Forschungsprojekt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers beim Landeskirchlichen Archiv. Seit Oktober 2016 ist er in Ditzingen tätig.