Was bedeutet die Stadtbahn-Einigung für die Bahnkunden? Wie werden Remseck, Wüstenrot und Bosch angebunden? Wir haben die wichtigsten Fakten zum Durchbruch in Ludwigsburg gesammelt.

Ludwigsburg - Kaum lösbar schien der gordische Knoten des Ludwigsburger Stadtbahnstreits. Kreisstadt gegen Umland, OB gegen Landrat, Hochflur gegen Niederflur – jahrelang wurde gezankt. Ein Gipfeltreffen im Verkehrsministerium brachte nun den Durchbruch: Im Nordwesten der Region soll ein völlig neues Nahverkehr-System mit Schnellbussen und einer neuartigen Stadtbahn etabliert werden. Was bedeutet das für Bahnfahrer?

 

Wo soll die Stadtbahn ab 2030 fahren?

Die neue „Ludwigsburger Stadtbahn“ wird unabhängig vom Netz der Stuttgarter SSB sein, es gibt keine Hochbahnsteige. Kernstück des so genannten Niederflur-Netzes ist die Strecke von Ludwigsburg nach Markgröningen. Auf Wunsch der beiden OBs Werner Spec (Ludwigsburg) und Ursula Keck (Kornwestheim) soll eine Abzweigung zum Wüstenrot-Hauptsitz mit 5000 Mitarbeitern führen. Zudem soll ein zusätzlicher Ast bis zum Bosch-Standort Schwieberdingen mit 6500 Angestellten geführt werden.

Was kostet die Stadtbahn?

Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, nach ersten Schätzungen stehen mindestens 215 Millionen Euro im Raum, wovon im besten Fall 180 Millionen Euro das Land und der Bund übernehmen. Dazu kommen 32 Millionen Euro Planungskosten, die von den Städten, Landratsamt und Gemeinden selbst getragen werden müssen. Insgesamt müssen die Kommunen und der Kreis rund 80 Millionen Euro aufbringen. Allerdings beinhaltet diese Kalkulation noch nicht die Ausweitung des Netzes auf Bosch in Schwieberdingen und Wüstenrot in Kornwestheim.

Wo fahren die Schnellbusse künftig entlang?

In Ergänzung zur Stadtbahn werden auf Wunsch von Ludwigsburg Schnellbuslinien geplant. Die so genannten Bus Rapid Transit (BRT)-Busse sollen zwischen Ludwigsburg durch die Oststadt bis nach Remseck-Neckargröningen fahren – dazu werden wegen der großen Staubelastung auf der Strecke teils eigene Busspuren gebaut. Weitere Linien etwa bis nach Markgröningen sind denkbar, müssen aber mit einem späteren Stadtbahnbetrieb kompatibel sein und dürfen die Finanzierung desselben nicht torpedieren. Wenn dies gewährleistet ist, setzt sich die Landesregierung auch für Fördermittel ein.

 

Wie kommt die neue Stadtbahn bis nach Stuttgart?

Nicht auf direktem Weg. Die Ludwigsburger Niederflur-Bahn soll bis in den Remsecker Stadtteil Pattonville rollen, dort können die Fahrgäste dann ins Netz der Stuttgarter Straßenbahnen umsteigen. Denn die SSB-Linie U 14 soll von Mühlhausen über Hornbach ebenfalls bis Pattonville verlängert werden. Das freut vor allem den Remsecker OB Dirk Schönberger: „Ich bin froh, dass wir hier einen Schritt weiter gekommen sind.“

Was ist mit der „Wasserstoff-Bahn“?

Das war eine Idee von Werner Spec, der als bundesweites Vorzeigeprojekt einen Zug mit Wasserstoff-Antrieb nach Markgröningen fahren lassen wollte. Das wird nichts, stattdessen wird auch Markgröningen an die Stadtbahn angebunden. Möglich ist allerdings, dass schon 2025 ein „Vorlaufbetrieb“ zwischen Ludwigsburg und Markgröningen beginnt – mit einem Zug, der mit Stadtbahnschienen kompatibel ist. Ein solches „Zweisystemfahrzeug“, wie es in der Fachsprache heißt, verkehrt derzeit sogar schon zwischen der Stadt Karlsruhe und Bietigheim-Bissingen.

Wie bewerten die wichtigsten Protagonisten den Kompromiss?

Der Ludwigsburger OB Werner Spec sagt: „Es war erkennbar, dass die Stadtbahn für das Ministerium von besonderer Bedeutung war.“ Es sei ein Kompromiss, der Klarheit bringe. Der Landrat Rainer Haas spricht von einem „historischen Straßenbahnprojekt“. Man solle nun schnell in den Gremien Beschlüsse fassen und einen Zweckverband gründen.

Wie beurteilen die Stuttgarter SSB die Entscheidung?

Die Stuttgarter Straßenbahn AG wächst, hat sich in der ganzen Region ausgebreitet – nur im Kreis Ludwigsburg ist jetzt Schluss. „Man hat sich für eine Insellösung entschieden, und das respektieren wir natürlich“, sagt der SSB-Vorstand Wolfgang Arnold. Die Frage sei, ob sich mit dieser Lösung, abgekoppelt vom Rest der Region, „am Ende eine vergleichbare verkehrliche Wirkung entfalten lässt wie mit einem Netz, das in ein größeres System integriert ist“. Er jedenfalls sei froh, dass die SSB mit Hochflurtechnik fahre, weil diese effizienter und einfacher als Niederflur sei. Für das Unternehmen sei die Entscheidung im Kreis Ludwigsburg aber kein großes Problem: „Uns geht die Arbeit nicht aus.“

Steht die Stadt Ludwigsburg hinter dem Kompromiss?

Spannend ist die Frage, ob die bürgerliche Ratsmehrheit in Ludwigsburg das Konzept mitträgt – denn wenn die Mehrheit im Gemeinderat den Kompromiss ablehnt, beginnt die Debatte von vorne. Danach sieht es indes nicht aus. Der CDU-Fraktionschef Klaus Herrmann, bislang kein Freund der Stadtbahn, sagt: „Die Niederflurbahn ist wegen der Blockade gegenüber anderen Systemen die einzige Möglichkeit. Wir stehen zu dem Kompromiss.“ Der Freie-Wähler-Chef Reinhardt Weiss hingegen bleibt bei seiner ablehnenden Haltung. Wie viele Bäume, wie viele Parkplätze, wie viele Straßen müssen für die Bahn weichen? „Das wollen wir jetzt wissen“, sagt Weiss.

Was bedeutet das für das Strohgäu?

In Korntal-Münchingen ist man enttäuscht – der Bürgermeister Joachim Wolf fordert, den Bosch-Standort Schwieberdingen von Stuttgart aus anzubinden. Das würde auch den kleinen Stadtteil Kallenberg und das Gewerbegebiet Müllerheim umfassen. Daher will er nun die SSB-Linie U 15 von Stammheim entlang der B 10 über Münchingen bis Schwieberdingen verlängern. Damit steht er aber alleine. „Ich habe akzeptiert, dass meine Partner für diese Idee weniger aus dem Kreis Ludwigsburg kommen“, sagt der Bürgermeister.

Wie sind die Reaktionen am Bosch-Standort Schwieberdingen?

Der Bürgermeister reagiert erfreut auf die Entscheidung. „Alle unterstützen das Ziel, das Gewerbegebiet mit der Firma Bosch an den öffentlichen Nahverkehr anzubinden. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Nico Lauxmann (CDU). Nun müsse er die Machbarkeitsstudie abwarten. Sie soll bis in spätestens einem Jahr zeigen, wie und mit welchen Kosten sich die Strecke nach Schwieberdingen realisieren lässt.

Was bringt die Einigung für die Stadt Kornwestheim?

Die OB Ursula Keck zeigt sich sehr zufrieden: „Es ist für den Öffentlichen Personennahverkehr ein großer Durchbruch gelungen. Die beteiligten Kommunen zeigen eine große Solidarität.“ In einem ersten Schritt werden die Mitarbeiter von Wüstenrot & Württembergischer Versicherung mit einem Bus vom Ludwigsburger Bahnhof zum Arbeitsplatz fahren, bis die Niederflurbahn den Standort anbindet.