Fast alle Stadtbahn-Haltestellen sind barrierefrei. Doch an manchen kommen Rollstuhlfahrer nicht weiter.

Stuttgart-Mitte - Noch läuft es rund. Die Räder von Peter Epps Rollstuhl fahren leicht auf dem glatten Untergrund der Haltestelle Türlenstraße. Epps Assistent Udo Peter muss wenig Kraft aufwenden. Epp und Peter sind mit der Stadtbahn vom Hauptbahnhof hier angekommen. Jetzt wollen sie auf die Heilbronner Straße. Sie schauen nach einem Fahrstuhl. Hinter ihnen begrenzt eine Wand den Bahnsteig. „Auf dem Bahnsteig der Gegenrichtung gibt es einen Aufzug“, sagt Epp. Peter steuert den Rollstuhl um eine Ecke. Vor ihnen rattert eine Rolltreppe in die Höhe. „Alleine kann ich die nicht nehmen. Das wäre zu gefährlich“, sagt Epp. Die Gefahr zu fallen, sei zu groß. „Menschen mit Elektrorollstuhl können hier auch nicht hoch, weil die sich nicht kippen lassen.“

 

Theoretisch könnte Peter Epps Rollstuhl auf die Fahrtreppe schieben und festhalten. Stattdessen kehren sie an die Bahnsteigkante zurück und nehmen die U6 in Richtung Gerlingen. Die beiden fahren heute durch Stuttgart, um sich nicht barrierefreie Stadtbahnhaltestellen anzuschauen. Viel Auswahl haben sie da nicht. „Fast alle der 180 Stadtbahnhaltestellen sind barrierefrei“, sagt der SSB-Sprecher Hans-Joachim Knupfer. Das bedeutet, die Haltestellen haben einen Zugang auf Straßenniveau, eine Rampe oder einen Aufzug. In der Innenstadt sind von den Haltestellen der regulären Stadtbahnlinien außer der Türlenstraße noch die Haltestellen Bopser, Österreichischer Platz und Staatsgalerie nicht barrierefrei. Einen Sonderfall stellt die Zahnradbahn dar: wegen der steilen Bahnsteige ist auch sie nicht barrierefrei. „In den vergangenen 30 Jahren hat sich bei der SSB aber viel verbessert“, sagt Epp. Dass es in der Haltestelle Türlenstraße nur einen Aufzug in Fahrtrichtung Innenstadt gibt, hat Epp von einem Bekannten erfahren. Der 57-Jährige fährt nur selten Stadtbahn. „Mir ist das zu umständlich. Mit dem Auto kommt man besser voran.“ Allerdings fährt er nicht selbst, sondern Peter.

Epp ist querschnittsgelähmt und sitzt seit 1982 im Rollstuhl

Nächste Station Maybachstraße. Zischend gleiten die Türen der Stadtbahn auf. Epp und Peter wollen einen Abstecher nach Feuerbach machen. Doch Ihre Suche nach einem Lift an der Haltestelle Maybachstraße bleibt ergebnislos. Es gibt noch ein weiteres Problem: Die Rolltreppe fährt in die falsche Richtung. „Da kommen wir nicht hoch“, sagt Peter enttäuscht. Die Weiterfahrt zum Bahnhof Feuerbach gelingt nicht. Peter wendet den Rollstuhl und trägt zusammen mit einem hilfsbereiten Mann den Rollstuhl vom Bahnsteig hoch und auf der anderen Seite hinunter.

Epp ist querschnittsgelähmt und sitzt seit 1982 im Rollstuhl. „Ich hatte einen Unfall“, sagt er. Mit diesem Rollstuhl kann er nicht alleine fahren. „Ich habe aber noch einen E-Rollstuhl. Damit geht es.“ Epp ist gelernter Kraftfahrzeugmechaniker und hat sich nach dem Unfall zum Industriemechaniker umschulen lassen. Diesen Beruf übt er aber derzeit nicht aus, sondern engagiert sich als Geschäftsführender Vorstand im Verein Aktive Behinderte in Stuttgart und Umgebung. „Wir geben Menschen mit Behinderungen unsere Erfahrungen auf Augenhöhe weiter“, erklärt Epp den Vereinsauftrag.

Epp und Peter überlegen in der U 13 in Richtung Hedelfingen, wie sie zur Staatsgalerie kommen. Eine Frau hilft: „Fahren Sie doch zum Wilhelmsplatz. Sie können aber auch an der Rosensteinbrücke umsteigen.“ Epp und Peter entscheiden sich für die zweite Möglichkeit. Dort gibt es zwei Haltestellen, die nah beieinander liegen. Peter schiebt Epp eine Rampe hinunter und den Bahnsteig zur U 14 hoch. „Dieses Gefälle ist völlig in Ordnung“, sagt Epp.

„Für Rollstuhlfahrer hat die SSB viel getan“

Der Anschluss klappt jedoch nicht. Als die beiden auf dem Bahnsteig 100 Meter von der Tür entfernt sind, fährt der Stadtbahnfahrer los. Epp ist sauer. „Der sieht uns doch. Und dann fährt der einfach.“ Als die beiden mit der nächsten Bahn an der Haltestelle Staatsgalerie ankommen, hat sich Epp aber beruhigt. Hier gibt es ebenfalls keinen Aufzug. Sie fahren weiter zum Österreichischen Platz. Auch hier: Aufzug Fehlanzeige. Peter Epp und Udo Peter nehmen die Fahrtreppe. SSB-Sprecher Knupfer stellt für alle regulären Stadtbahnhaltestellen Lösungen in Aussicht – abgesehen vom Bopser. „Man kann bei diesen Haltestellen keinen Aufzug einbauen, mit dem man direkt auf die Straßenebene kommt. Man muss ein Zwischengeschoss einziehen und braucht je zwei Fahrstühle pro Bahnsteigende.“ Aufzüge nachzurüsten sei ein Riesenaufwand.

Nach zwei Stunden Fahrt durch Stuttgart kommen Epp und Peter wieder am Stuttgarter Hauptbahnhof an. Hier finden sie sofort Aufzüge und gelangen über eine Rampe zur Heilbronner Straße. Epp inhaliert den Rauch seiner Zigarette und zieht Bilanz: „Für Rollstuhlfahrer hat die SSB viel getan. Aber man muss aufpassen, dass man nicht an einer nicht-barrierefreien Haltestelle hängen bleibt.“ Das Problem haben sie gleich nicht mehr. Peter schiebt Epp zum Auto. Jetzt geben wieder die Ampeln den Takt auf der Fahrt vor.

Aktuelle Situation und Pläne:

Barrierefreiheit
: Derzeit sind noch drei unterirdische Stadtbahnhaltestellen der SSB nicht barrierefrei über Aufzüge zugänglich. Neben dem Österreichischen Platz und der Maybachstraße ist auch die Staatsgalerie für Rollstuhlfahrer nicht zu nutzen. An der Haltestelle Türlenstraße wurde 2012 ein Aufzug für den Bahnsteig in Richtung Hauptbahnhof eingebaut. Der auf der anderen Seite soll folgen.

Pläne
: Die Haltestelle Staatsgalerie soll laut SSB verlegt werden. Die Maybachstraße soll im Sommer 2013 Aufzüge bekommen, der Österreichische Platz voraussichtlich 2015.