Braucht Dürrlewang überhaupt die Anbindung an die Stadtbahn? Diese Frage wurde am Mittwoch von einigen Anliegern ausgiebig angezweifelt.

Dürrlewang - Es ging bereits aufs Sitzungsende zu, als Georg Matischiok im Stuttgarter Rathaus noch mal eine grundsätzliche Frage stellte. Drei Stunden war die Erörterung des Planfeststellungsverfahrens da bereits im Gange. Thema: die Verlängerung der Stadtbahnlinie U 12 nach Dürrlewang. Eigentlich brauche Dürrlewang die Stadtbahnlinie nicht, gab Matischiok zu Protokoll. Er selbst ist kein Anwohner. „Ich spreche aber für meine Schwester.“ Diese wohnt im Hochhaus Galileistraße 30 in einer Eigentumswohnung.

 

Sie und ihre Nachbarn fürchten, künftig durch die Stadtbahntrasse vollständig von der Galileistraße abgeschnitten zu sein. Zudem fehle durch die Strecke Parkraum entlang der Straße. „Wir sind bereits gut über die S-Bahn-Haltestelle Rohr an die Stadt angeschlossen“, argumentierte Matischiok deswegen. Zudem führen doch genug Busse durch den Stadtteil. Die Nutzerzahlen, die die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) prognostiziert hat, hielt Matischiok für fragwürdig. 2200 Nutzer pro Tag in einem Stadtteil mit 3700 Einwohnern, viele von ihnen nicht mehr berufstätig und damit weniger auf Mobilität angewiesen – das hieße, dass künftig fast 90 Prozent aller Dürrlewanger täglich mit der Stadtbahn fahren werden. „Das kann doch nicht sein.“

SSB hält an Auslastungsprognose fest

Volker Christiani, SSB-Chefplaner, korrigierte die Rechnung („nicht 2200 Nutzer, sondern 2200 Fahrten“) und hielt an der Auslastungsprognose fest. Bislang sei ein neues Stadtbahnangebot immer gut angenommen worden. Auch hätten sich viele Bürger aus Dürrlewang für die Verlängerung der U 12 bis in den Stadtteil ausgesprochen, erinnerte Christiani an zurückliegende Diskussionsveranstaltungen. „Wir haben keine Sorge, dass wir eine Stadtbahn bauen, in der nachher niemand sitzt“, sagte der SSB-Planer.

Genau diesen Eindruck konnte man gestern jedoch bekommen. Mehr als 30 Betroffene waren zur Erörterung des Planfeststellungsverfahrens ins Stuttgarter Rathaus gekommen. Geladen worden waren diejenigen, die Einwände gemacht hatten. Entsprechend kritisch war die Stimmung. Warum schließe man nicht besser den östlichen Teil das Industriegebiets Vaihingen/Möhringen an, lautete eine Frage. „Die meisten Pendler wollen doch sowieso zur dort liegenden Dekra.“ Was nütze die Stadtbahn, wenn man keine Parkplätze mehr finde?, kritisierten andere. Wieder andere fürchten den Lärm: erst durch die Bauarbeiten und später durch die Stadtbahn.

Furcht vor Stau an der Ampel

Die Gewerbetreibenden sahen endlose Autoschlangen an den neuen Signalanlagen voraus. „Wenn die Ampel alle fünf Minuten rot ist, staut sich der Verkehr bis sonst wo. Dann komme ich gar nicht mehr aus meinem Hof raus. Das ist, auf gut schwäbisch, eine Riesensauerei“, beschwerte sich Markus Leyh, der an der Kupferstraße seinen Malerbetrieb hat. Auch Fragen der Ästhetik wurden in der Erörterung des Planfeststellungsverfahrens angesprochen. „Sie versprechen, dass die Haltestellen ansprechend gestaltet werden. Bislang haben wir noch keine Planskizze gesehen“, monierte ein Anwohner.

SSB-Planer Christiani versuchte, die Wogen zu glätten. Die SSB hätten bereits viele Änderungswünsche der Anlieger umgesetzt, sagte er und berichtete über versetzte Eingangstore, Hecken und auch darüber, dass das Unternehmen an einer Stelle sogar die Gleisführung nach berechtigten Einwänden geändert habe. „Es ist klar, dass wir die Folgekosten in solchen Fällen übernehmen“, sagte Christiani. Allerdings müsse dazu auch ein Anspruch bestehen. „Wir werden ihnen keine Autostellplätze bauen, die es vor dem Bau der Trasse nicht gegeben hat“, stellte er klar. „Ich kann ihren Ärger verstehen, wenn auf der Straße Parkraum wegfällt. Aber es gibt keinen Anspruch auf Parkplätze im öffentlichen Straßenraum.“

„Das ist dann Sache der Stadt.“

Etwas Bewegung gibt es womöglich im Streit zwischen Curt Günther und der SSB. Günther gehört an der Ecke Kupferstraße/Am Wallgraben ein Gebäude, in dem ein Feinkostmarkt untergebracht ist. Wegen einer Verkehrsinsel, die dort geplant ist, sei es längeren Lastwagen nicht mehr möglich, Ware anzuliefern, so Günther. „Wir haben mit den in Deutschland gültigen Maßen für Lastwagen geplant“, hielt Christiani dagegen. Doch Günter und andere Gewerbetreibende warfen der SSB vor, mit veralteten Maßen zu rechnen. „Wir müssen in die Zukunft denken. Was, wenn bald die Gigaliner kommen“, rief einer der Betroffenen.

In der nächsten Sitzung mit der Straßenverkehrsbehörde will Christiani nun noch einmal erörtern, ob die Verkehrsinsel an dieser Stelle gebaut werden muss. „Das ist dann allerdings nicht mehr unsere Entscheidung, sondern Sache der Stadt.“