Noch staunen Remsecker, wenn sie auf dem Weg nach Stuttgart mit der Stadtbahn in Münster vom Neckarufer abbiegen und durch den Hallschlag fahren. Und das ist nicht die einzige Neuerung bei der Linie U12.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Landkarte von damals hat Wolfgang Arnold nicht mehr. Aber der Technische Vorstand der SSB erinnert sich noch genau daran, wie sie aussah. Davon erzählt er bei der Jungfernfahrt der U12, als diese am Samstag in Remseck (Kreis Ludwigsburg) startet: „Es war eine Landkarte im Maßstab 1:25 000. Ich besuchte 1979 als VVS-Planer den Remsecker Oberbürgermeister Peter Kuhn damit. Mit Bleistift haben wir einen ungefähren Verlauf der Stadtbahnlinie eingezeichnet“, erzählt Arnold. 20 Jahre später, 1999, fuhr dann die U14 bis Remseck. Weitere 18 Jahre später wird sie nun von der U12 abgelöst, die U14 fährt auf ihrer angestammten Route über den Stöckach bis Mühlhausen. Die U 12 fährt geradeaus durch den Hallschlag zum Europaviertel, Hauptbahnhof und weiter bis Dürrlewang.

 

Wenn auch die Erinnerung an die alte Karte noch frisch ist, so liegen doch Jahrzehnte zwischen den Bleistiftzeichnungen und dem, was am Samstag zum ersten Mal in voller Länge erlebbar war: die neue U12, die als Doppelzug verkehrt, kürzt den Weg von Remseck nach Stuttgart um fünf Minuten ab. Sie hält an zwei neuen Stationen: Bottroper Straße und Budapester Platz. Just an diesen Haltestellen herrscht am Samstag jedoch nicht nur Feierlaune, als die Züge einrollen. An der Bottroper Straße hat jemand über Nacht sehr zum Verdruss aller an Planung und Bau Beteiligten ein übermannshohes Graffito angebracht. Während die feierliche Reden gehalten werden, versucht ein Arbeiter, die Schrift abzubekommen. Zudem berichtet die Bezirksvorsteherin Renate Polinski, dass manche Bürger die Haltestelle lieber woanders gehabt hätten. In solchen Fällen erkläre sie, dass die Bottroper Straße ein Wunsch der Bürger war. Am Budapester Platz im Europaviertel begrüßen Anwohner den Zug gar mit Protest und Trillerpfeifen: Sie verzeihen es der Stadt und den SSB nicht, dass ihre Haltestelle an der Friedhofstraße nun wegfällt. Das bewegt auch den OB: „Gestern haben mir noch zwei Damen Unterschriften gegen die neue Haltestelle übergeben“, sagt Fritz Kuhn. Dann zählt er all die Vorteile der neuen Anbindung auf – und hofft wohl, damit die Kritiker aus der Friedhofstraße überzeugen zu können. „Etwas Schnelleres und Bequemeres als die Stadtbahn gibt es nicht“, sagt Kuhn. Der Netzausbau müsse weitergehen. Die Stadtbahnen seien wichtig, um zu schaffen, was der OB glaubt: „Wir werden unser Luftproblem und unser Stauproblem in den Griff bekommen.“

Ein Graffito mindert den Glanz der neuen Haltestelle

Überhaupt ist der erste Betriebstag der neuen Linie U12, die von Remseck nach Dürrlewang führt, ein Tag der Bekenntnisse. Remsecks Oberbürgermeister Dirk Schönberger etwa glaubt, dass die Bahn Stuttgarter nach Remseck bringt, auf dass sie hier die Besonderheiten der Gegend entdecken können – den Neckarstrand zum Beispiel.

Die einzige Alternative ist der Fahrradweg am Neckarufer

Die Einladung, am ersten Tag kostenlos mit der U 12 zu fahren, nutzen auch die 82-jährigen Freunde Waldemar Hegele und Karl-Heinz Stimm aus Neckargröningen. „Nach Stuttgart fährt man nicht mit dem Auto“, sagt Stimm. Mit der Wandergruppe fährt Waldemar Hegele manchmal in die Landeshauptstadt, um Stuttgarts Höhen zu erkunden. Mit der kostenlosen Fahrt kann auch Helga Schmid aus Neckarrems ihren Mann – eher nicht so der Stadtbummler – zum Ausflug nach Stuttgart bewegen. Für sie gebe es nur eine Alternative zur Stadtbahn: „Im Sommer das Fahrrad.“

Die U 12 startete am Tag vor der Fahrplanumstellung, die weitreichende Änderungen der Linienführung mit sich bringt. Am Sonntag ging es an den am meisten betroffenen Haltestellen Charlottenplatz, Rotebühlplatz und Hauptbahnhof aber entspannt zu.