Zweimal binnen zwölf Stunden entgleist in Untertürkheim eine Stadtbahn – die Züge wieder ins Gleis zu heben, ist extrem aufwendig. Was ist das Problem mit der Weiche?

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) haben am späten Donnerstagabend und am Freitagvormittag gleich zweimal mit entgleisten Stadtbahnzügen zu kämpfen gehabt. Verletzt wurde dabei niemand. Kurios: Die Zwischenfälle ereigneten sich mit einem zeitlichen Abstand von weniger als zwölf Stunden an der exakt selben Weiche am Untertürkheimer Karl-Benz-Platz. Beide Male waren Züge der Linie U 4 betroffen.

 

Das Nahverkehrsunternehmen kann noch keine Gründe für die Entgleisungen angeben. „Wir untersuchen die Vorfälle in alle Richtungen“, sagt Birte Schaper, Sprecherin der SSB. Dass es sich bei den entgleisten Bahnen jeweils um Züge der ersten Baureihe handelt, die seit ihrer Fertigung in den Jahren 1985 und 1986 im Einsatz sind, müsse nichts bedeuten. Über die Höhe des entstandenen Sachschadens konnten die SSB am Freitagnachmittag nichts sagen.

Eine Lok musste den entgleisten Wagen zurückziehen

Am Donnerstagabend gegen 23 Uhr war eine Bahn von der Haltestelle Wasen-straße kommend kurz vor der Endhaltestelle Untertürkheim Bahnhof unterwegs. An der Weiche, an der sich der Fahrweg der U 4 von dem der U 13 trennt, sprangen die beiden vorderen Achsen des hinteren Wagens aus den Gleisen. Der Zug rollte noch einige Meter weiter und kam dann zum Stehen. Spuren im Straßenbelag zeigen deutlich, wo die Stahlräder der Bahn über den Asphalt schrammten. Die rund 20 Fahrgäste kamen mit dem Schrecken davon und konnten den havarierten Zug verlassen.

Der stand allerdings so weit außerhalb der Schienen, dass die Feuerwehr ihn nicht mit ihrem technischen Gerät wieder auf die Gleise setzen konnte. Daher rückte vom SSB-Bauhof in Wangen eine Lokomotive an, die den Zug einige Meter zurückzog, wo er wieder in die Gleise gesetzt wurde. Anschließend schleppte sie ihn in die SSB-Werkstatt nach Möhringen. „Danach haben wir uns die Weiche angesehen und wieder für den Verkehr freigegeben“, sagt Birte Schaper. Das passierte gegen 1 Uhr in der Nacht. Am frühen Freitagmorgen, von halb fünf an, fuhren daher die Bahnen der Linien U 4 und U 13 wieder unfallfrei über die neuralgische Stelle.

Bis um 11 Uhr wieder eine U 4 aus den Schienen sprang. Dieses Mal waren es die ersten beiden Achsen des Zuges, die aus der Spur gerieten. Der Zug war kurz vor Erreichen der Endhaltestelle Untertürkheim Bahnhof mit gut 50 Fahrgästen besetzt. Ihnen passierte nichts.

Stadtbahnen entgleisen sehr selten in Stuttgart

Abermals rückte eine Besatzung der Cannstatter Feuerwache an. Wie schon am Vorabend waren 14 Helfer im Einsatz – allerdings frische Kräfte, da zwischen den beiden Vorfällen ein Schichtwechsel stattgefunden hatte. Mit Hilfe von Hydraulikzylindern wurde der gut 55 Tonnen schwere Zug so weit angehoben, dass er wieder aufs Gleis gesetzt werden konnte. „Wir üben solche Einsätze regelmäßig“, sagte Matthias Seiz von der Stuttgarter Berufsfeuerwehr. Außerhalb der Wasenzeiten werde an der Haltestelle Neckarpark der Notfall simuliert. Dies geschehe in Kooperation mit den SSB. „So lernen wir auch deren Verkehrsmeister gut kennen“, erklärte Seiz. Das erleichtere die Zusammenarbeit im Einsatzfall.

Gegen 12.20 Uhr rollte die Bahn aus eigener Kraft wieder von der Untertürkheimer Unfallstelle weg. Der Streckenabschnitt blieb allerdings bis 17 Uhr gesperrt. Die Linie U 13 wendete bereits am Untertürkheimer Bahnhof und fuhr zurück ans Feuerbacher Pfostenwäldle. Die aus der Innenstadt kommenden Bahnen der U 4 fuhren nach Hedelfingen. Zwischen dem Untertürkheimer Bahnhof, wo viele Passagiere auf die S-Bahn umsteigen, und der Haltestelle Wasenstraße pendelten Taxis.

Dass Stadtbahnen ohne erkennbare Einwirkung von außen entgleisen, ist in Stuttgart bisher noch nicht vorgekommen. Im Oktober 2011 sprang ein Zug der Linie U 15 an der Friedrichswahl aus den Schienen, weil Steine auf den Gleisen lagen. Bei der Kollision zweier Bahnen 2012 in Ostfildern geriet ein Zug aus der Spur. 2008 stand an der Kaltentaler Abfahrt ein Bagger zu nah an den Schienen und brachte eine Stadtbahn zum Entgleisen.