Viele Stadtbahnkunden in Stuttgart sind nach der Fahrplanumstellung unsicher und suchen Hilfe. Die neuen Linienpläne finden reißenden Absatz, Ordner haben alle Hände voll zu tun. Doch die Händler am Charlottenplatz leiden unter den Folgen.

Stuttgart - Ja, es könnte schlimmer sein. Noch halten sich die Folgen des neuen Stadtbahn-Fahrplans für die Passagiere in Grenzen. Jetzt in den Ferien sind die Züge der Ausweichlinien zwar gut voll, aber selbst zur Rushhour nicht überfüllt. Groß ist allerdings die Unsicherheit wegen der Änderungen durch den Umbau der Haltestelle Staatsgalerie. Die SSB ist in dieser Startwoche mit rund 60 zusätzlichen Ordnern an den Bahnsteigen präsent, und der Check zeigt, dass dies auch Not tut.

 

„Meist sind es ältere Fahrgäste oder Menschen mit wenigen Deutschkenntnissen, die Fragen haben“, sagt ein 44 Jahre alter SSB-Berater, der in gelber Weste am unteren Bahnsteig am Charlottenplatz Posten bezogen hat. Die Passagiere seien ziemlich entspannt, ihre Fragen ließen sich schnell beantworten. Allerdings sei der Andrang schon groß. In einer Stunde habe er allein rund 40 Linienpläne verteilt.

Während er erzählt, kommen immer wieder Suchende auf ihn zu. „Entschuldigung, fährt die jetzt über Rotebühlplatz?“, fragt eine Frau und springt nach dem bestätigenden Nicken schnell noch in die U24. Einem anderen Fahrgaste erklärt der 44-jährige Helfer die Ausweichroute über Berliner Platz. Dann unterbricht er sich selbst, um einem Mann gegenüber zuzurufen, dass der Bahnsteig in Richtung Staatsgalerie wegen Bauarbeiten geschlossen ist. „Ich bin jemand, der gern redet – aber heute ist es schon viel“, sagt er lachend.

Am Hauptbahnhof ist „irre viel los"

Etwas ruhiger hat es da sein 58 Jahre alter Kollege an der Haltestelle Staatsgalerie. Auch er spricht von entspannten Kunden. Hier sei es deutlich ruhiger als am Hauptbahnhof, wo er tags zuvor Dienst gemacht habe. „Dort geht hinsetzen gar nicht. Da ist irre viel los.“

Irritiert sind einige Fahrgäste, wenn ihre Bahnen plötzlich enden und sie aussteigen sollen – etwa die U4 am Neckartor oder die U24 am Charlottenplatz. Die Zugführer müssen hier einen Kehraus machen, denn Fahrgäste dürfen nicht mit in die Wendeanlage genommen werden. Ein Stückchen weiter im Tunnel, wechseln die Fahrer das Gleis und gehen zum anderen Zugende, um dann in Gegenrichtung wieder starten zu können.

Geschäftsleute am Charlottenplatz beklagen Einbußen

Während die Fahrgäste die Neuerungen und damit verbundenen Umstände gelassen hinnehmen, machen einige Betreiber der Geschäfte am Charlottenplatz Fäuste in den Taschen. „Wir haben 50 Prozent Umsatzeinbußen“, beklagt Christoph „Chrische“ Ulmer, Mitbetreiber des dortigen Kiosks. Selbst im Vergleich zu den Osterferien sei es noch ein Minus von mehr als einem Drittel. Und es betreffe ihr gesamtes Sortiment, egal ob Zeitschriften, Zigaretten oder Softdrinks.

Rita Potetta Spagnoletto von der benachbarten Backstube spricht sogar von 70 Prozent Minus. „Das sieht schlecht aus für meine Zukunft“, sagt sie. Ulmer macht deutlich: „Es steigen einfach weniger Menschen hier um.“ Und das werde in den kommenden anderthalb Jahren so bleiben. Sie würden über ihren Vermieter bereits an die Verantwortlichen herantreten.

Bewährungsprobe kommt zum Schulbeginn

„Bei uns ist das Thema noch nicht aufgetaucht“, sagt dagegen SSB-Sprecherin Birte Schaper. Sie glaube nicht, dass der Kundenstrom deutlich geringer werde, das die Linien U1 und U4 ja durch die Linien U21 und U24 ergänzt würden. Der neue Plan sei ja erst wenige Tage alt, deshalb ließen sich kaum verlässliche Aussagen dazu machen. Sollte es aber längerfristig zu einem Problem werden, müsse man sich damit natürlich beschäftigen.

Die Zahl der zusätzlichen Ordner, viele von ihnen sind sonst Kontrolleure, wird laut Schaper kommende Woche auf 30 gesenkt. Mit Schulbeginn soll sie dann aber erst einmal wieder auf 60 aufgestockt werden. Bislang funktioniere alles, betont die SSB-Sprecherin. Nennenswerte Fahrplanabweichungen gebe es durch die Baustelle nicht. Doch die Bewährungsprobe kommt erst noch – wenn Montag in einer Woche die Schule wieder losgeht und sich das neue Konzept dann auch im Regelbetrieb bewähren muss.