Anfang April übernimmt die 57-jährige Christine Brunner die Leitung der Stadtbibliothek am Mailänder Platz. Der StZ-Redakteur hat sich mit ihr über Stöckelschuhe, Literatur und den Blick zu den Sternen unterhalten.

Stuttgart - Mit vielen Klischees verhält es sich wie mit Unkraut: Wenn Sie einmal in der Welt sind, wachsen sie hartnäckig immer wieder nach, egal, was man dagegen unternimmt. Christine Brunner lächelt über den Bücherwurm, „der ist nicht auszurotten“, genauso wenig wie die Leseratte. Als Brunner, 57, in den 1990er Jahren die Stadtbibliothek in Ditzingen leitete, begegnete ihr das Klischee über Bibliothekarinnen in einer Zeitungsglosse. In der stand sinngemäß etwas über hübsche Stewardessen und vermeintlich nicht ganz so attraktive Bibliothekarinnen. Daraufhin schrieb ein Nutzer der Stadtbibliothek: alles Blödsinn, unsere Bibliothekarin sieht gut aus und trägt rote Stöckelschuhe.

 

Hohe Absätze trägt Christine Brunner immer noch gerne. An diesem nasskalten Frühjahrstag sind sie grau und nicht rot, die Farbe passt zum Wetter. Christine Brunner blickt aus ihrem Fenster im siebten Stock der Stadtbibliothek, sie sieht hinaus auf Kräne und Container. Das Bild passt zum Aufbruch, der bereits hinter der Stadtbibliothek liegt, die vor knapp anderthalb Jahren im Wilhelmspalais aus- und ins Europaviertel eingezogen ist. Nun folgt erneut ein Einschnitt, diesmal an der Spitze des Hauses: Ingrid Bußmann geht in den Ruhestand, Christine Brunner übernimmt Anfang April die Direktion.

Für den schnellen Bücherhunger

Für Brunner, die in der Oberpfalz geboren wurde, in Pforzheim ihr Abitur machte und an der Hochschule der Medien in Stuttgart studierte, wird mit diesem Schritt an die Spitze des Hauses ein langer Weg gekrönt. Er begann mit einer Ausbildung, in der sie noch lernte, „Zettelchen in Katalogschubladen einzusortieren“, führte sie in die Bibliothek des Stuttgarter Rathauses und kurz darauf in den Bücherbus – die rollende Grundversorgung für den schnellen Bücherhunger. Schon als sie 1993 in Ditzingen ihre erste Leitungsstelle antrat, hatte sich das Bild von einer Bibliothek und davon, was diese leisten muss, verändert.

Als das World Wide Web noch in den Kinderschuhen steckte, richtete Brunner in Ditzingen bereits die ersten Internetarbeitsplätze ein. „Schon damals hat man den Untergang des Buches prophezeit“, erinnert sie sich. Christine Brunner wollte in die Untergangsrufe nicht einstimmen, auch nicht, als sie als Bibliothekschefin nach Heilbronn ging und von dort aus bald nach Stuttgart zurückkehrte: 2001 wurde Christine Brunner die Stellvertreterin der neuen Chefin Ingrid Bußmann. Zwischen die beiden Führungskräfte passte bei vielen Themen kein Blatt Papier. „Wir hatten immer ein partnerschaftliches Verhältnis“, erzählt Christine Brunner.