Wetzig weiß, wovon er spricht: In seiner Amtszeit ist es ihm gelungen, die lebens- feindliche Neue Straße, ebenfalls ein Relikt der Nachkriegszeit und das Ulmer Pendant zur Stuttgarter Konrad-Adenauer-Straße, zurückzubauen. Entstanden ist dadurch eine neue urbane Mitte zwischen Münster und Rathaus. Bis eine „neue Mobilitätskultur“ durch die „Neugestaltung des öffentlichen Raums“ Einzug halten konnte, habe es allerdings dreizehn Jahre gedauert – Jahre, in denen die Planer unbeirrt „dranbleiben“ mussten. Von teuren Tunnellösungen rät Wetzig übrigens ab. In Ulm ist der Verkehr darum auch nicht aus der Innenstadt verbannt, sondern hat einem entspannten Miteinander von Fußgängern, Fahrradfahrern und Autos Platz gemacht.
Stuttgarter Planungskultur zum Zweiten: Der Marktplatz soll aufgewertet werden. Kein ganz unbedeutender Ort in Stuttgart, der jedoch nach jahrzehntelanger Vernachlässigung den Charme eines „Platzes in Ostdeutschland zu DDR-Zeiten“ verströmt, wie ein Kollege unlängst zutreffend kommentierte. Die interessierten Bürger erschienen in Scharen zu einer Sitzung des Bezirksbeirats, und was bekamen sie zu hören? Dass man eine Billiglösung ohne Architekten anstrebe. Der Brunnen wird aus der Versenkung geholt, neues Pflaster und ein paar Fontänen. Großartige Idee! Großartiger ist nur noch die Unverfrorenheit, mit der man sich bei diesem Gestümper der Kompetenz von Architekten überlegen fühlt und ebenso großartig die Chuzpe, mit der dieses wichtige Projekt am Gestaltungsbeirat vorbei zusammengenagelt werden soll. En passant degradiert man dieses soeben mit stolzgeschwellter Brust installierte Gremium angesehener Fachleute zur Alibitruppe.
„Höchste Planungsqualität“ hat der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Architekten in einem offenen Brief an Fritz Kuhn für den Marktplatz gefordert, nach dem Vorbild anderer europäischer Städte. Ob er auf offene Ohren trifft? Eher nicht. Die Grünen, voran die Rathausspitzen Oberbürgermeister und Baubürgermeister, stehen schlecht da – so schlecht, dass die Bürger beschlossen haben, in die Offensive zu gehen. Am kommenden Mittwoch wird der gemeinnützige Verein „Aufbruch Stuttgart“ gegründet. Ab Donnerstag kann diesem dann jeder beitreten, dem die Zukunft seiner Stadt am Herzen liegt. Als erstes will der Verein erreichen, dass an einem Sonntag im Sommer die B14 auf dem Kulturmeilen-Abschnitt für den Verkehr gesperrt wird und alle Stuttgarter dann zu einem gemeinsamen Frühstück mitten auf der Straße eingeladen sind.