Der Gemeinderat hat den Stuttgarter Rathauschef ermächtigt, einen Vergleich mit dem umstrittenen österreichischen Immobilienmogul im Streit um das Vorkaufsrecht für das Kaufhof-Areal hinter dem Rathaus abzuschließen.

Ungeachtet der laufenden Ermittlungen österreichischer Behörden gegen den Tiroler Immobilienmogul René Benko wegen Korruption und Bestechung hat der Gemeinderat am Donnerstag den Weg für einen Vergleich mit dessen Immobilienholding Signa im Streit um das Vorkaufrecht für das Kaufhof-Areal hinter dem Rathaus frei gemacht. CDU, FDP, Freie Wähler, AfD und OB Frank Nopper (CDU) stimmten gemeinsam mit der SPD für den zwischen dem Rathauschef und der Signa ausgehandelten Vergleichsvorschlag. Dieser sieht vor, dass das Areal des Kaufhof-Warenhauses an der Eberhardstraße im Eigentum der Signa verbleibt. Benko plant den Abriss und einen Neubau, in den dann die Landeszentrale der Deutschen Bundesbank einzieht. In den Erdgeschosszonen sollen Einzelhandelsflächen ausgewiesen werden.

 

OB Nopper wirbt nochmals eindringlich für gütliche Einigung

Im Gegenzug verpflichtet sich die Signa, den eigentlich für Geschossneubauten in Sanierungsgebieten vorgeschriebenen Wohnungsanteil an anderer Stelle in der City auf eigene Kosten zu realisieren. Benko und die Bundesbank als Hauptmieter hatten Wohnungen in dem geplanten Neubau abgelehnt. Auf Druck des Gemeinderats und vor dem Hintergrund eines drohenden langwierigen Rechtsstreits will die Signa nun aber im Stuttgarter Westen und beim Haus der Wirtschaft ersatzweise bis zu 75 Wohnungen erstellen. Die Wohnungsquote beträgt nach den Richtlinien der Stadt in einem solchen Fall 30 statt 20 Prozent gemessen an der Bruttogeschossfläche des eigentlichen Neubaus.

Grüne, das Linksbündnis und die Puls-Fraktionsgemeinschaft votierten gegen den Vergleichsvorschlag. OB Nopper hatte zuvor nochmals eindringlich für die gütliche Einigung geworben, die einen jahrelangen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang vermeide. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ermittlungen gegen Signa-Chef Benko versicherte er, die Stadt verfolge die Entwicklungen aufmerksam und werde sich falls erforderlich in den Verträgen mit der Signa absichern. Zudem verlas er ein Schreiben der Signa, in dem diese jedwede Auswirkung der Ermittlungen gegen Benko auf das Stuttgarter Projekt verneint.

Scharfe Kritik von Linksbündnis und Grünen – Konter von OB und CDU

Scharfe Kritik kam vom Linksbündnis und den Grünen. Der OB mache sich zum „Pressesprecher der Signa“, so Linksbündnischef Hannes Rockenbauch. Er warf dem Rathauschef vor, die Interessen „eines vorbestraften Immobilienspekulanten und Milliardärs“ zu vertreten und nicht im Sinne des Allgemeinwohls zu handeln. Nopper wies dies energisch zurück, und auch CDU-Fraktionschef Alexander Kotz konterte: Rockenbauch verkaufe einmal mehr seine Weltsicht als Wahrheit. Petra Rühle (Grüne) hob zwar hervor, dass man gegenüber dem ursprünglichen Kompromisspapier, das gar keine Wohnungen vorgesehen hatte, Verbesserungen erreicht habe. Der Kompromiss bringe aber keine Belebung für die Innenstadt, zudem seien die aktuellen Vorgänge um die Signa und die wirtschaftliche Schieflage der Warenhauskette Kaufhof ein „großes Risiko“. Der SPD warf sie vor, sich anders als etwa die Genossen in Hamburg kritiklos auf einen Deal mit der Signa einzulassen. Hintergrund: Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen gegen René Benko einen SPD-Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft mit den Worten zitiert: „Die Stadt muss nicht mit jedem Geschäfte machen, das gilt insbesondere auch für Herrn Benko.“

Für die SPD erklärte Fraktionschefin Jasmin Meergans, es sei ihrer Fraktion zu verdanken, dass nun – wenn auch anderer Stelle in der Stadt – eine nennenswerte Anzahl von Wohnungen entstünden. Allerdings müsse man gemeinsam mit der Verwaltung ein Auge auf die weitere Entwicklung im Fall Benko haben: „Über den Abschluss der Verträge entscheiden wir ja erst noch.“ Und selbst CDU-Fraktionschef Kotz, der sich ansonsten vorbehaltlos für die außergerichtliche Einigung („ein guter Weg“) aussprach, forderte die Rathausspitze auf, diesbezüglich wachsam zu sein: „Ich mache mir aber keine großen Sorgen.“

Über Nutzung des Parkhaus-Areals wird erst später entschieden

Der Vergleich, über dessen Abschluss nun der OB mit Benkos Signa verhandeln soll, beinhaltet zudem, dass die Signa das benachbarte Areal des Kaufhof-Parkhauses an der Steinstraße nach den Wünschen der Stadt neu bebaut und im Anschluss zum Vorkaufspreis an die Stadt veräußert. Über die Frage, was dort entstehen soll, gibt es allerdings ebenfalls Dissens im Gemeinderat. Im Gespräch ist unter anderem der OB-Vorschlag für ein Haus der Kulturen. Mit diesem Projekt hat sich in dieser Woche auch der Internationale Ausschuss des Gemeinderats befasst. Migrantische Vereine und Verbände sowie das Forum der Kulturen wünschen sich eine solche Einrichtung seit Jahrzehnten, die sachkundigen Einwohner im Internationalen Ausschuss hatten sich schon vor Wochen einstimmig für den Standort Steinstraße ausgesprochen.

Weitere Alternativgrundstücke für Haus der Kulturen werden untersucht

Die Repräsentanten der Migrantenverbände und interkulturellen Institutionen im Ausschuss haben ihr Votum allerdings am Mittwochabend nicht bekräftigt. Vielmehr sollen nun zunächst zehn andere Grundstücke in der Innenstadt als mögliche Alternativen unter die Lupe genommen werden. Erst im Dezember wollen die Initiatoren und Unterstützer des Hauses der Kulturen um den städtischen Integrationsbeauftragten Gari Pavkovic dann im Ausschuss ihren Standortfavoriten küren. Der Gemeinderat hat die Entscheidung über die künftige Nutzung dieses Areals aufs kommende Jahr vertagt. Zusätzlich erschwert wird die Planung dadurch, dass analog zu den Auflagen für Benko auch die Stadt gemäß ihren eigenen Vorgaben auf dem Areal einen Wohnungsanteil von 20 Prozent unterbringen oder entsprechend mehr Ersatzwohnungen in einem Radius von 1000 Metern um den Neubau schaffen müsste. Eine weitere Option: Die Stadt könnte per Gemeinderatsbeschluss die Sanierungsziele für das Rathausquartier im Bezug auf ihr eigenes Projekt außer Kraft setzen.