Die Pläne des Stuttgarter Investors bedeuten das Aus für das Café Kipp und Foto Kirchhoff. An der Rötestraße entstehen aber auch 35 neue Mietwohnungen.

Stuttgart - Der vor allem von privaten Investoren vorangetriebene Stadtumbau zieht immer weitere Kreise um das Stadtzentrum. Das nächste große Projekt wirft im Stuttgarter Westen seine Schatten voraus. Die Deutsche Rentenversicherung hat ihren Immobilienbesitz an der Schwab-, Rotebühl- und Rötestraße an den Investor Ferdinand Piëch verkauft. Dieser plant eine Kernsanierung mehrerer Gebäude und den Bau neuer Mietwohnungen. Die Leidtragenden der Quartiersentwicklung sind drei Gewerbetreibende: Das traditionsreiche Café Kipp und das angestammte Fotogeschäft Kirchhoff stehen nach 58 Jahren im Westen vor dem Aus, das Schmuckatelier Gold & Zeit muss nach vier Jahren einen neuen Standort suchen.

 

Kündigungen kamen nicht ganz überraschend

„Wir müssen bis zum 30. September das Gebäude verlassen haben, was dann sein wird, weiß ich noch nicht“, sagt der Konditormeister Thomas Kipp. Dafür ist die Kündigung noch zu frisch und das geschäftliche Ende irgendwie noch zu weit weg, auch wenn die Kündigung ihn nicht gänzlich unvorbereitet traf. „Es war schon seit Jahren im Gespräch, dass irgendwann saniert werden soll, aber ich habe das nicht geglaubt“, sagt Kipp. Seit 30 Jahren führt er das vom Großvater am 1. Februar 1954 gegründete Café in dritter Generation, jetzt verliert er mit seiner Frau Christiane mit einem Schlag „geschäftlich alles, Laden, Gastraum und Backstube“, sagt er. „Aber klagen will ich nicht“, fügt er sogleich hinzu, die Kündigungsfrist beträgt nun mal nur ein halbes Jahr und Kündigungsschutz gibt es für Gewerbe nicht.

Auch seine Geschäftsnachbarn reagieren traurig gefasst. „Das ist unsere Existenz hier gewesen, aber jetzt ist halt Schluss“, sagt Peter Wentz. Auch er ist seit 30 Jahren im 1966 vom Vater übernommenen Geschäft, das 1954 von der Firma Kirchhoff am selben Tag eröffnet worden war wie das Café Kipp. Auch sein Bruder hat lange mitgearbeitet, heute sind es die beiden Söhne Stefan und Andreas. Auch sie müssen sich von Oktober an nach was anderem umschauen. „Ich würde gerne hier weitermachen, aber ein neues Geschäft aufzubauen lohnt sich nicht mehr“, sagt Stefan Wentz.

Ladenbesitzer sorgen sich um Kunden

Die Goldschmiedin Rosemarie Recio de Mertens setzt auf einen Neubeginn und hofft, dass sie ein bezahlbares anderes Atelier findet. „Es tut einfach weh, dass wir gehen müssen“, sagt sie und denkt dabei auch an die älteren Menschen, die Tag für Tag an ihrem Schaufenster vorbei ins Café gehen, dort seit ewigen Zeiten ihren Stammplatz haben. „Die alten Leute fallen doch in ein Loch, und wenn die kleinen Läden nicht mehr sind, kaufen die Leute nur noch im Internet, das Persönliche geht verloren.“

Der Investor hat ein Faible für Stuttgart

Auch dem Investor Ferdinand Piëch, Sohn des gleichnamigen VW-Patriarchs, der durchaus mit Stuttgarter Herzblut seine Investitionen angeht wie etwa bei der Übernahme von Feinkost Böhm oder dem Umbau der Villa Levi, ist bewusst, dass der Westen insbesondere mit dem Café einen weiteren Fixpunkt verliert. „Es ist traurig und alles andere als schön, aber unumgänglich, weil sonst die Sanierung blockiert wäre“, sagt Frank Beling, der Geschäftsführer der Ferdinand Piëch Holding. Schließlich will man das Projekt nachhaltig über einen Zeitraum von vier Jahren angehen.

Konkret sehen die Pläne, die im geltenden Bebauungsplan realisiert werden, laut Beling Folgendes vor: Die Rentenversicherung werde das Baudenkmal Rotebühlstraße 133 als Mieterin weiter nutzen; das hohe Bürohaus mit der Nummer 131 und dem vorgelagerten Anbau mit den Läden und dem Café soll kernsaniert, die 1950er-Jahre-Fassade erhalten bleiben.

Umbau soll noch in diesem Jahr beginnen

„Wenn möglich, möchten wir damit noch in diesem Jahr anfangen“, so Beling. Als Mieter ist die Duale Hochschule im Gespräch, was er bestätigt. Es gebe aber auch zwei weitere Interessenten, einer davon aus dem medizinischen Bereich. Die zwei Gebäude hinter dem „Hochhaus“ mit den Kliniken Schmieder und der Luisenklinik seien in gutem Zustand und würden so weitervermietet, mit den Tageskliniken sei man darüber bereits im Gespräch.

Im Haus Rötestraße 16 sollen nach der Sanierung 12 Mietwohnungen entstehen, im Hintergebäude 16 A seien nach dem Auszug der Modeschule Holzenbecher Lofts und Ateliers geplant. Der Parkplatz und die Grünfläche an der Rötestraße sollen mit 35 neuen Mietwohnungen nebst Tiefgarage überbaut werden.Ende 2015 könnte dann alles fertig sein.

Bis zum Spätsommer noch werden die Namen Kipp und Kirchhoff das Quartier prägen. Ob Thomas Kipp mit 46 Jahren den Wunsch vieler Stammgäste nach einem neuen Café erfüllt, ist ungewiss, ebenso der künftige Arbeitsplatz von Peter und Stefan Wentz. Für Andreas Wentz dagegen zeichnet sich ein Weg ab, wie er seine Lehre als Einzelhandelskaufmann doch noch abschließen kann. „Wir haben ihm eine Lehrstelle bei Böhm angeboten“, sagt Frank Beling. „Das Angebot wird er auf jeden Fall annehmen“, sagt Vater Peter Wentz.