Auch wenn die Preise für Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser in Stuttgart stetig steigen, halten Experten eine Überhitzung des Markts für unwahrscheinlich. Eine Spekulationsblase wie in den USA wird nicht befürchtet.

Stuttgart - Wer zu D-Mark-Zeiten ein Eigenheim in Stuttgart gekauft hat, kann es heute für dieselbe Summe wieder verkaufen – in Euro. Die Preise für Immobilien haben drastisch zugelegt. Aus diesem Grund wird vermehrt die Gefahr eine Immobilienblase beschworen. Experten halten die Preise in Stuttgart jedoch für gerechtfertigt.

 

Das Onlineportal Immobilienscout hat mehr als 80 deutsche Städte auf die Gefahr einer Spekulationsblase hin untersucht. Stuttgart befindet sich in der Rangliste auf Platz acht. Die Landeshauptstadt belegt damit den dritten Platz im Südwesten – Konstanz liegt auf Platz vier, Tübingen auf Rang sechs der bundesweiten Wertung. Die Definition, die das Immobilien-Onlineportal anwendet, sieht so aus: Die Entwicklung der verlangten Kaufpreise wird mit der Steigerung der Angebotsmieten verglichen. Steigt der Wert des Eigentums schneller als die Mieten, bedeutet das womöglich Gefahr einer Immobilienblase, heißt es in der Untersuchung.

Fachmann: Definition ist schlecht untermauert

Diese Definition wollen die Immobilienexperten aus Stuttgart und der Region aber nicht gelten lassen. Robert Göötz, der Dekan des Studiengangs Immobilienwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, erklärt: „Die verwendete Definition ist wissenschaftlich schlecht untermauert und so nicht haltbar.“ Die Relation von Preis und Miete sei nur einer von vielen Indikatoren. Das Zinsniveau, steigende Wiederherstellungskosten – also die Investition dafür, eine bestehende Immobilie heute wieder gleich aufzubauen – und die Höhe der Einkommen müssten bei der Definition einer Blase mitberücksichtigt werden, so Göötz.

Auch Vergleiche mit den USA, wo eine Immobilienblase zum Zusammenbruch des Finanzwesens geführt hatte, sind aus Sicht von Robert Göötz nicht statthaft. „Ein Treiber bei der Blase in den USA war die Vergabe von Krediten an Menschen, die kein Einkommen, keinen Job und kein Vermögen hatten.“ Konnte der Hauskredit aufgrund fehlender Mittel nicht bedient werden, sollte ein Verkauf mit der Wette auf steigende Preise das Problem lösen.

Es laufen Verdrängungsprozesse ab

Auch der Professor für Wohnsoziologie und ehemaliger Dekan der Architekturfakultät der Universität Stuttgart, Tilman Harlander, erklärt: „Unter dem Strich sehe ich für Stuttgart noch keine akute, gravierende Blasengefahr, das Platzen einer Blase mit dem gefürchteten folgenden Einbruch der Preise, wieder steigenden Zinsen und einem unkalkulierbaren Anschwellen von Privatinsolvenzen steht nicht bevor.“

Dennoch beobachte er die Preisrallye auf den Immobilienmärkten auch in Stuttgart mit einiger Sorge, so Harlander weiter. „Sozial brisant sind die mit dem Immobilienboom einhergehenden Verdrängungs- und Gentrifizierungsprozesse“, so der Professor. An die Frage, ob das Stadtwohnen in Stuttgart künftig für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar bleibt, setzt Harlander ein dickes Fragezeichen.

Marc Bosch, der Leiter Wohn- und Gewerbebau bei Wüstenrot Haus- und Städtebau und neuer Vorsitzender des Verbands Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS) erklärt: „Im Moment würde ich eher von einem Nachfrageüberhang sprechen. Das gilt insbesondere für die Region Stuttgart.“ Dieser Überhang werde zum Teil durch die anhaltenden Zuzüge in die Städte getragen, so Bosch. Als Grund nennt der IWS-Chef etwa die Nähe zu Arbeits- Ausbildungs- und Studienplätzen sowie bei der älteren Generation die gute Infrastruktur der Städte. Zudem werde der Wunsch nach Eigentum durch die niedrigen Zinsen beflügelt.

Kein Vergleich mit den USA

Die führenden Makler der Stadt – etwa Ellwanger und Geiger, Colliers und Jones Lang Lasalle – sehen keine akute Gefahr einer Spekulationsblase. Als Argumente werden immer wieder genannt, dass derzeit die Nachfrage das Angebot noch immer übersteige und der Kreditanteil der Finanzierungen, anders als in den USA, nur langsam ansteige.

Auch Mieter- und Eigentümervertreter sehen nicht die Gefahr, eines Preisabsturzes. „Mit der Preisentwicklung der vergangenen Jahre ist nun eine gewisse Sättigung auf hohem Niveau eingetreten, der Aufwärtstrend wird anhalten, aber deutlich abflachen“, sagt etwa Ulrich Wecker, der Geschäftsführer von Haus und Grund. Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart, befürchtet jedoch, dass aufgrund der steigenden Kaufpreise auch die Mieten in der Stadt bald für viele Menschen unbezahlbar werden könnten. „Es steht zu befürchten, dass Investoren eine Rendite ihres angelegten Kapitals sehen wollen und sich der Mietpreisanstieg weiter beschleunigt.“

Auf Anfrage wollten weder die Verantwortlichen der Immobiliensparte der Landesbank noch der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG eine Einschätzung zum Thema abgeben.

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