Beim Stadtfest in Herrenberg hat im vergangenen Jahr eine Horde Betrunkener an der Stiftskirche randaliert. Dieses Mal haben die Verantwortlichen von Polizei und Stadt einen Plan, um das zu verhindern.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Der Erhabenheit eines im 13. Jahrhundert erbauten Gotteshauses begegnet offenkundig nicht jeder mit Ehrfurcht. Weshalb Besucher des Stadtfestes in Herrenberg (Kreis Böblingen) am Wochenende nur zur Stiftskirche vorgelassen werden, wenn sie sich zuvor von einem Sicherheitsdienst kontrollieren lassen. Wer ein Glas oder Alkohol dabei hat, wird abgewiesen.

 

Besucher Herrenbergs steigen die Stufen zum Vorplatz der Kirche nicht nur während der Festtage gern empor, um einen Blick über die Altstadt zu haben. Im vergangenen Jahr hatten aber allzu viele anderes im Sinn als die Aussicht. Die Polizei sah sich gezwungen, den Platz zu räumen. „So etwas habe ich in 30 Jahren noch nie erlebt“, sagt Dieter Bäuerle, der beim Ordnungsamt für die Sicherheit des Festes zuständig ist. Sechs Polizisten mit Hunden versuchten, eine Menge von gut 200 Betrunkenen die Stufen hinabzuschicken. Diese Szene vom Festfreitag wiederholte sich am Samstag. „Ohne die Hunde hätten wir es nicht geschafft“, meint Bäuerle.

Menschen kamen nicht zu Schaden, aber Autos

Die Räumung war das letzte Mittel, um schwere Verletzungen zu vermeiden. Leichtere Blessuren erlitt mancher, der sich von der Polizei fortschicken lassen musste. Auf dem Kirchenplatz waren Schlägereien beobachtet worden. Ein Gruppe junger Festgäste, die vor dem Geschehen geflohen war, alarmierte die Polizei, die unter anderem einen Schlagring sicherstellte.

Einige der Randalierer empörte der Verweis derart, dass sie unten auf dem Marktplatz Tische und Stühle umwarfen. Diese Gruppe wurde von Polizisten und Sicherheitsleuten durch die Menge eskortiert. Gänzlich Unbeteiligte waren ebenfalls gefährdet, denn von der Kirchenmauer flogen Flaschen in die Altstadt, seien sie absichtlich geworfen oder zufällig hinabgestoßen worden. Menschen kamen nicht zu Schaden, aber Autos. Was nach der Räumung oben blieb, waren „alle Begleiterscheinungen sehr starken Alkoholkonsums“, sagt Bäuerle. Dazu zählten Urin an den Mauern der Kirche, Erbrochenes auf ihrem Vorplatz und „ein richtiges Scherbenmeer“, sagt Bäuerle. „Ganz offensichtlich sind absichtlich Flaschen zerschlagen worden.“

Übliche Begleiterscheinungen von Massenfesten?

Schon im Jahr zuvor hatte sich angedeutet, dass Trinkgelage auf dem Kirchenplatz zum ernsten Problem werden könnten. Damals hatten Mitarbeiter des Ordnungsamts zusammen mit Sozialarbeitern die jungen Festgäste allerdings noch mit Gesprächen befrieden können. Im vergangenen Jahr beantwortete die betrunkene Menge solche Versuche hingegen mit Häme und Beschimpfungen. „Ich war dreimal oben, ab einem bestimmten Zeitpunkt war da ein Hebel umgelegt“, sagt Bäuerle. Um eine Wiederholung zu vermeiden, blieb nichts anderes als die Festgäste an den Zugängen des Platzes auf Alkohol und potenzielle Wurfgeschosse zu kontrollieren. Dies war das Ergebnis von Gesprächen zwischen Stadtverwaltung und Polizei.

Letztere ordnet das Geschehen allerdings eher den üblichen Begleiterscheinungen von Massenfesten zu. „Natürlich nehmen wir die latente Bedrohung ernst“, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn, „aber für uns ist das kein Riesending“.

Beamte der Bereitschaftspolizei werden am Wochenende die Kräfte des örtlichen Reviers verstärken. Wie viele von ihnen bei welcher Großveranstaltung im Einsatz sind, gibt die Polizei grundsätzlich nicht bekannt. „Hauptsächlich geht es darum, dass der Gemeinde unzumutbar ist, die Hinterlassenschaften zu beseitigen“, sagt Widenhorn. Und dass es Gläubigen unzumutbar ist, den Weg zum sonntäglichen Gottesdienst durch Müll und menschliche Ausscheidungen zu gehen.